Diplomtrainer und Sportheilpraktiker:
Leserbrief zum Straßenrennen in Schrobenhausen am 21.5.06

 

An das Radsport-Forum
Chefredakteur Herrn Hans Will

CC: BDR, Herrn Burkhart Bremer
Bezugnahme zum letzten Schriftwechsel

CC: BRV, Herrn Tillmann Rieger
Bezugnahme zur laufenden Diskussion über die Situation des bayerischen Straßenradrennsports

 

Leserbrief:
Als Teilnehmer des AB-Rennens ist die Feststellung zu treffen, daß auf der 16km-Runde insbesondere auf dem ca. 6km langen Teilabschnitt der Bundesstraße Schrobenhausen-Ingolstadt der mit Fortdauer des Rennens rege Autoverkehr den Rennfahrern völlig ungebremst in voller Fahrt entgegen kam. Nach Aufsplittung des Feldes mußten die 2. und die 3. Gruppe vollkommen ohne Führungsfahrzeug auskommen.

Zum Glück für die Rennfahrer und den Veranstalter ergab sich an dieser Stelle durch die herrschende Westwindwetterlage zumeist eine Windkantensituation auf der rechten Straßenseite. Aber auch an anderen, z.T. unübersichtlichen Streckenabschnitten kamen einzelne Fahrzeuge in voller Fahrt dem Peloton entgegen. Es kam in allen Rennklassen zu haarsträubenden Szenen und es bestand eine andauernde potentielle Gefährdung.

Der Autor hat bereits in einem Diskussionsbeitrag in einem speziellen Abschnitt zum Thema Sicherheit Stellung bezogen.

Im Nachgang der BM Berg 2004, bei der ebenfalls auf der Rennstrecke der ungebremste Gegenverkehr lief und ein Rennfahrer schwer verunfallte, wurde ein Ermittlungsverfahrens zur Sicherheit bei Straßenrennen eingeleitet. Hierbei wurde gegen den Veranstalter und die Genehmigungsbehörde wegen fahrlässiger Körperverletzung ermittelt.

Die Veröffentlichung dieses Schriftsatzes der Staatsanwaltschaft besonders in den radsportnahen Medien wurde entweder von der Masse der Veranstalter nicht erfasst oder die resultierenden Konsequenzen werden schlichtweg verdrängt, denn insbesondere die Leitsätze auf Seite 5 lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Nach dem Rennen hat der Autor von seinem Recht zur freien Meinungsäußerung Gebrauch gemacht. Daneben wird im Lizenzantrag des BDR die Pflicht festgeschrieben, den Veranstalter zu kontaktieren: „………. Mir ist bewusst, dass mir zu meiner eigenen Sicherheit die Inspektion der Strecke vor (?????) dem Rennen angeraten wird. Bei Absicherungsmängeln werde ich unverzüglich den Veranstalter hiervon unterrichten.“

Es stellte sich heraus, daß Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander klaffen. Die Rechtslage (s.o.) war offensichtlich unbekannt, ein ausdrücklich NICHT zulässiges Rechtsfahrgebot für Rennfahrer wurde vorausgesetzt. Wie so oft fühlte man sich sofort persönlich angegriffen und der Umgangston entgleiste einseitig leider sehr schnell. „Die Unterrichtung des Veranstalters“, so der Eindruck, ist in den Köpfen derselben überhaupt nicht vorgesehen und wird als persönlicher Affront angesehen.

Windkantensituationen sind wie Bergauffahrten entscheidende Elemente in Radrennen und können nicht einfach wegamputiert werden. Die fortwährende Verkürzung der Renndistanzen bedingt vom Start weg hohes Tempo und Aktionismus zur Selektion. Das Rennen war mit der Kennziffer 3.3 ausgeschrieben, ist also nach der Bayern-Rundfahrt eines der bayerischen Toprennen, offen für Fahrer von GS2- und GS3-Teams.

Will man GS2-Profis, die auch Pro Tour-Rennen bestreiten, z.B. eine Windkante auf der linken Straßenseite untersagen? Das würde in einen peinlichen Eklat münden, abgesehen davon, daß diese Fahrer und deren Teamchefs eine Gefährdung durch laufenden Gegenverkehr niemals akzeptieren würden.

Nach Meinung des Verfassers muß seitens des BDR oder des BRV eine feste Regel installiert werden, daß der Autoverkehr auf Rennstrecken nur in Rennrichtung ablaufen darf (Einbahnregelung). Ansonsten darf das Rennen NICHT stattfinden. Hier ist dringend der Spitzenverband gefragt!

Immer wieder hört man als Gegenargument, man müsse diese potentielle Gefährdung des Gegenverkehrs billigend in Kauf nehmen, ansonsten bekäme man gar keine Rennen mehr genehmigt. Dies ist ein kurzsichtiger Trugschluss. Kommt nur ein Rennfahrer zu Tode, wird es erst einmal gar keine Radrennen mehr geben, denn dann kommt alles auf den Prüfstand.

Die Rennfahrer, die die Hauptakteure sind und deren Gesundheit es betrifft, äußern zwar ihren Unwillen, zu gemeinsamen Aktionen wie z.B. Unterbruch des Rennens an der Ziellinie aus Protest, ist man nicht in der Lage.

Der Autor hat im Verlauf seiner nun über 20 Jahre langen Karriere als A-Elitefahrer zwei Rennfahrer in seiner unmittelbaren Nähe durch entgegenkommende Autos unter entsetzlichen Bedingungen sterben sehen. Es ist jedem zu wünschen, niemals unmittelbar oder auch nur mittelbar bei einem solchen Ereignis dabei sein zu müssen. Es könnte dem bayerischen Straßenradrennsport nichts Schlimmeres passieren, als ein toter oder schwerverletzter Rennfahrer aufgrund von Absicherungsmängeln.

Dagegen erscheint die krasse Fehlentscheidung des WAV, in der Schlussphase des Rennens das AB-Hauptfeld wegen der angeblich stark aufkommenden C-Klasse aus dem Rennen zu nehmen, als Nebensache, obwohl dies trotz nach wie vor mehrminütigen Abstands geschah. Der Einsatz von ausreichend vielen Führungsfahrzeugen mit mobiler Zeitnahme und Funk- oder Telefonkontakt in den Zielbereich wie eigentlich für ein Rennen dieser Kategorie erforderlich, hätte diese Peinlichkeit verhindern können.

 

Thomas Hartmann, Diplom-Trainer