Diplomtrainer und Sportheilpraktiker:
Wettkampfstruktur im BRV und deren Auswirkungen – eine Diskussionsgrundlage

 

Einführung
Der bayerische Wettkampfterminkalender im Bereich Straße weist seit Jahren eine stark abnehmende Anzahl an Straßenrennen bei gleichzeitig erdrückendem zahlenmäßigen Übergewicht von Kriterien auf. Rundstreckenrennen haben in etwa den doppelten Anteil wie die Straßenrennen.

Ausgehend von der Grundannahme, daß die Hauptdisziplinen im Weltstraßenradrennsport Straßen- und Etappenrennen sowie in neuerer Zeit schwere Rundstreckenrennen sind, Kriterien jedoch nur eine Nebendisziplin (im bezahlten Profisport „Showrennen“ mit abgesprochenem Ergebnis) darstellen, muß im Bereich des BRV wie auch in anderen Landesverbänden von einer klaren, strukturellen Fehlentwicklung ausgegangen werden.

Der Stand der Leistungsentwicklung bayerischer Rennfahrer koppelt sich bis auf wenige Ausnahmen vom internationalen Niveau ab, die morphologischen Anpassungen auf die Anforderungen unserer Wettkampfstruktur entsprechen nicht jener, die notwendig sind, um auch international bei Straßenrennen und Rundfahrten mithalten zu können.

Die wenigen wünschenswerten Veranstaltungen sterben aufgrund finanzieller und genehmigungstechnischer Probleme immer mehr aus. Die rechtliche Lage bezüglich der Absperrmaßnahmen des Verkehrs bei Radrennen ist klar, die Praxis jedoch diffus. Die Sicherheit der Rennfahrer bei Straßenrennen aufgrund von Gegenverkehr ist nicht gewährleistet. Das Ausbleiben von tödlichen Unfällen in dieser unheilvollen Grauzone ist seit Jahren nur mehr oder minder glücklichen Umständen zu verdanken.

Der im Grunde anzustrebenden Tendenz, Radrennen (Kriterien) hin zum Zuschauer zu transportieren (City-Radrennen), steht, bedingt durch die modernen Straßenverbauungsmaßnahmen, eine vermehrte streckentechnisch bedingte Gefährdung der Rennfahrer gegenüber. Oft zusätzlich verstärkt durch nicht sportordnungskonforme Strecken-/Rundenlängen wird im Zweifelsfall - insbesondere bei schlechter Witterung - die Sicherheit der Rennfahrer zugunsten einer gesteigerten Publikumsattraktivität vernachlässigt.

Diese Ausführungen sollen eine produktive Diskussion anregen, um einer allgemeinen Verbesserung Vorschub zu leisten. Sie dienen nicht dazu, alles Bestehende in Bausch und Bogen zu verdammen. Alle im Rennsport Beteiligten sollten ihre Gedanken und Ideen beitragen, auch – und vor allem – die Rennfahrer, die die Hauptakteure sind und mehr von ihrem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch machen sollten.

 

Strukturelle Entwicklung des Straßenterminkalenders
Der Autor hat seit Beginn der eigenen Karriere ab 1978, als es noch Dutzende von Straßenrennen in Bayern verteilt über die ganze Saison gab, eine alljährliche Verminderung der Anzahl und auch der Streckenlängen dieser Bewerbe feststellen müssen. Ein dem internationalen Standard angepasstes Straßenrennen mit einer Länge von 150km und mehr gibt es in Bayern nicht mehr. 2005 kamen in Bayern noch sechs Straßenrennen sowie 12 Rundstreckenrennen zur Austragung, darunter die beiden LV-Meisterschaften (Einer/Berg). Die erdrückende Masse der Veranstaltungen waren Kriterien mit ausschließlich kürzeren als in den Wettkampfbestimmungen Straße festgelegten/empfohlenen Runden- und Gesamtdistanzlängen (siehe hierzu: eben dort, § 11.1.: z.B.: Elite mind. 800m und empfohlene 80km). Die Genehmigungen für kürzere Rundenlängen als 800m in Ausnahmefällen durch den LV-Sportwart sind hierzulande die Regel geworden.

Was im bezahlten Radsport ausschließlich Show- und Präsentationszwecken dient, ist bei uns zur Hauptdisziplin geworden. Im Unterschied zu den Berufsfahrern, die nach dem Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Gesundheit der Kollegen bei solchen Einlagerennen z.B. bei gefährlichen Innenstadtkursen oder bei Nässe deutlich herausnehmen, wird in Bayern mit vollem Risiko ernsthaftester Leistungssport betrieben. Oftmals entscheidet nicht nur die persönliche Form, sondern die jeweilige bis teilweise zur Unvernunft gesteigerte Risikobereitschaft über den Erfolg. Es hat sich in der Vergangenheit eine absolute Spezialisierung vollzogen. Ein Begriff aus der Umgangssprache spricht die Problematik sehr treffend an: „Kriteriumsinzuchtszene in Bayern“.

Von der Belastungsstruktur her einem Straßenrennen ähnlich sind MTB-Marathons, die als sinnvolle Ergänzung im Wettkampfplan eines Straßenfahrers durchaus Aufnahme finden sollten. Aufgrund der Gewinnabsichten kommerzieller Veranstalter, meist Agenturen, findet sich jedoch kein geregeltes, dem Straßenrennsport ähnliches Preisgeldschema, außerdem sind die Nenngelder, bei denen zwischen Hobby- und Lizenzfahrer unverständlicherweise kein Unterschied gemacht wird, horrend. Hier ist dringend Abhilfe geboten.

 

Veränderung des morphologischen Profils der Rennfahrer am Beispiel der Eliteklasse
Ausgehend von der Realität des Wettkampfalltags ergibt sich eine grundsätzliche Streckenlänge von ca. 60-65km bei einer durchschnittlichen Fahrzeit von ca. 1,5 h. Diese Form der Wettkampfbelastung spielt sich energetisch überwiegend im Bereich der aeroben Glykolyse ab, die ansonsten im Straßenradsport so leistungslimitierende Qualität des Fettstoffwechsels spielt allenfalls für eine bessere Regeneration zwischen den Wettkampfbelastungen eine Rolle.

Weiterhin leistungsbestimmend sind die Mobilisierung laktatneutralisierender Pufferungssysteme (Qualität des anaeroben Stoffwechsels), eine hohe neuromuskuläre Ausprägung besonders im Bereich der FT-Fasern sowie eine Spezialisierung der Intermediärfasern in Richtung „schnellzuckend“ (Schnelligkeits- und Schnelligkeitsausdaueranforderungen).

Hohe (relative) Kraftausdauerfähigkeiten (Bergfahren) werden zugunsten von Maximalkraftausprägungen zurückgedrängt. Ein geringes Körpergewicht ist bei dieser Spezialisierung nicht mehr von Bedeutung, Schwächen am Berg werden bewußt oder unbewußt in Kauf genommen.

Vorausgesetzt, daß sich die Wettkampfstruktur nicht ändert, muß sogar die Frage gestellt werden, ob der bayerische Kriteriumsfahrer für seine Erfordernisse nicht falsch trainiert. In seiner Eigenschaft als Trainingsmethodiker gibt der Autor zu bedenken, ob nicht bei verringertem Grundlagenausdauertraining eine weitergehende Spezialisierung mittels Spezialtraining auch mit Intervallmethoden im Bereich der Schnelligkeit und Schnelligkeitsausdauer stattfinden müßte. Auch eine Erhöhung des Krafttrainingsanteils mit der Hantel unter bewusster Inkaufnahme einer Erhöhung des Körpergewichts müßte diskutiert werden.

Es ist festzustellen, daß ernsthafte bayerische Straßenfahrer (z.B. Team Mapei) Straßen- und Etappenrennen im Ausland, in anderen Bundesländern oder – sofern der U23 angehörig – die Möglichkeiten der Radbundesliga nutzen, um ihre Leistungsentwicklung auch im internationalen Vergleich zu fördern. Dabei werden regelmäßig oft sehr weite Reisen in Kauf genommen. Bayerische Rennen werden im Regelfall nur als Lückenfüller oder als Klassenaufstiegsmöglichkeit bei sehr jungen Elitefahrern bestritten, keinesfalls dienen sie als Sprungbrett, um sich für höhere Aufgaben zu qualifizieren oder als Mittel der körperlichen Fortentwicklung.

Eine körperliche Ausbildung hin zu einem kompletten, auch international wettbewerbsfähigen Straßenfahrer ist mit der ausschließlichen Teilnahme an bayerischen Rennen mit ihrem fehlenden Anforderungsprofil nicht zu gewährleisten. Die Abwanderung bayerischer Straßenfahrertalente hin zu entsprechend ausgerichteten Sportgruppen auch in anderen Landesverbänden ist eine bedenkliche Entwicklung mit nicht zu unterschätzenden Auswirkungen auch auf jüngere Schichten der Alterspyramide.

 

Organisationsaspekte
Veranstalter von Radrennen heutzutage sind zu bewundern, solche von Straßenrennen daneben fast noch zu bemitleiden, denn sie stehen „fast mit einem Bein schon im Gefängnis“. Speziell Rennfahrer wären über die Maßen erstaunt, würden sie einmal im Detail an der Bewältigung des Organisations- und Behördendickichts teilhaben.

Explodierende Kosten bei gleichzeitigem Rückgang von öffentlichen und Sponsorengeldern, genehmigungstechnische Probleme, Zuschauerrückgang und mangelnde Wahrnehmung im öffentlichen Interesse stellen die Hauptprobleme dar. Die vielbesungene Mär vom boomenden Radsport bezieht sich mit Sicherheit nur auf den Pro-Tour-Bereich, Radsport auf Bundes- bzw. Landesverbandsebene darbt. Der kurzsichtige Blick nur auf die Spitze der Profiszene verstellt die Weitsicht auf den Radsport der zweiten und dritten Reihe, aus dem sich jedoch der Nachwuchs rekrutieren muß. Das Problembewusstsein in den Medien, aber auch z.T. in der Spitze des BDR scheint bei öffentlich artikulierter Lobhudelei und weiterer Fahrt in Richtung „Brot und Spiele“ nicht besonders geschärft zu sein. Meines Erachtens bricht dem deutschen Radsport landesweit die Basis weg.

Anders als im MTB-Bereich ist die Startaufstellung bei Straßenbewerben leider nicht zentral geregelt. Bei der BM 2005 im Straßeneinerfahren befand man sich bei Aufstellung am Zielstrich am Ende des Feldes. Die Unsitte der Fahrer, sich aus Richtung der Rennstrecke jeweils vorne im wartenden Fahrerfeld aufzustellen, sollte unterbunden und das Startaufstellungsprozedere klar geregelt werden.

Die Vorabbanküberweisung des Nenngeldes an die Veranstalter ist kritisch zu beleuchten. Es besteht der Eindruck, als würde diese Art einer Einnahmequelle Sponsorenausfälle kompensieren. Die durch sehr hohe Material- und Spritkosten belasteten Rennfahrer sollten eigentlich nicht zusätzlich für Akquiseversäumnisse der Veranstalter herangezogen werden.

 

Sicherheits- und Rechtsaspekte
Finanzielle und genehmigungstechnische Probleme führen zum schleichenden Ableben auch traditioneller Straßenbewerbe. Die überlebenden Straßenrennen finden in einer diffusen Ausgangslage statt. Die unhaltbaren Verhältnisse rund um die BM Berg im Herbst 2004 haben jetzt zu rechtlichen Konsequenzen geführt. Der auf der HP des BRV eingestellte Bericht einer Verfügung der Staatsanwaltschaft Traunstein ist ein leserisches Muss für ALLE radsportlich Beteiligten, dort besonders die Leitsätze auf Seite 5.

Diese Kernaussagen des Staatsanwaltes sind besonders brisant. Ganz klar formuliert er u.a. als Voraussetzung eines Radrennens, daß ein Rennen nur auf komplett abgesperrten Strecken stattfinden darf, nur in Ausnahmefällen bei wenig Verkehr ist als Mindestanforderung eine komplette Sperrung des Gegenverkehrs obligat. Ein Rennfahrer im Wettbewerb muß sich darauf verlassen können, daß ihm auf der Rennstrecke nichts entgegen kommt, sei es bei der Tour de France oder bei einem regionalen Radrennen.

Von dieser idealtypisch formulierten rechtlichen Voraussetzung sind wir in Bayern weit entfernt. Bei fast allen bayerischen Straßenrennen in 2005 gab es laufenden Gegenverkehr mit z.T. haarsträubenden Szenen. Nur dem Können der Rennfahrer und dem Beisein ihrer Schutzengel ist es seit Jahren zu verdanken, daß schwerwiegende Unfälle ausbleiben. Eine Windkantensituation auf der linken Straßenseite kann mit Fug und Recht als eine Art Himmelfahrtskommando bezeichnet werden. Bei entsprechender Windrichtung kann aber eine Standardsituation im Radrennen nicht einfach per Anordnung und Hinweis auf die StVO manipuliert werden. Entsprechende schriftliche Hinweise von Veranstaltern vor den Rennen auf die StVO haben Alibifunktion und verbieten sich von selbst, darüber hinaus werden bei dieser Art Unfällen die Veranstalter trotzdem strafrechtlich in Regress genommen.

Weiter führt die Staatsanwaltschaft aus, daß die Einwilligung von Rennfahrern in eine evtl. Körperverletzung eine Fiktion sei. Eine ausdrückliche Einwilligung erfolge weder vor dem Rennen noch (bisher!) in dem Antrag auf Erteilung einer Rennlizenz durch den BDR. Eine konkludente Einwilligung durch Teilnahme an dem Rennen sei zwar gegeben, da ein Radrennfahrer stets mit Stürzen rechnen würde. Diese Einwilligung beziehe sich aber nur auf (Fehl-)Verhalten anderer Rennteilnehmer und allenfalls auf leichtes Verschulden des Veranstalters, mit dem ein Rennfahrer stets rechnen muß. Schaffe der Veranstalter jedoch Gefahrenmomente, die absolut unüblich sind und mit denen keiner zu rechnen brauche, könne hiervon nicht ausgegangen werden.

In diesem Licht ist die Reaktion des BDR in Form eines neuen Einschubes in den Lizenzantrag 2006 (S.2, Absatz 1) bemerkenswert und bedarf unbedingt weiterer Erläuterungen. In den Augen des Verfassers ist dies ein Versuch, die gerade dargestellte Einwilligungssituation aufzuweichen, ohne jedoch an der strafrechtlichen Regresspflichtigkeit von nicht ordnungsgemäß handelnden Veranstaltern etwas ändern zu können. Zitat:

„Mir ist bewusst, dass Radsport mit typischerweise auftretenden Gefahren verbunden ist. Ich weiß, dass diese auch unter Beachtung aller Sorgfalt von Veranstaltern nicht immer zu verhindern sind. Ich weiß, dass bei Rennen auf öffentlichen Straßen die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung einzuhalten sind, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Mir ist bewusst, dass mir zu meiner eigenen Sicherheit die Inspektion der Strecke vor dem Rennen angeraten wird. Bei Absicherungsmängeln werde ich unverzüglich den Veranstalter hiervon unterrichten.“

Muß jetzt der Rennfahrer mit Gegenverkehr im Rennen rechnen, obwohl er rechtlich nicht zulässig ist, oder nicht? Werden die Pausen zwischen den Rennen der einzelnen Altersklassen zukünftig lang genug sein, damit die Rennfahrer auch bei längeren Rundenlängen den Kurs inspizieren können? Werden Hinweise auf Mängel durch die Fahrer an den WAV künftig besser angenommen und sind die Veranstalter überhaupt in der Lage, diese kurzfristig abzustellen? Klare Erläuterungen zu diesem Thema sind unumgänglich.

Rennfahrerfreundlich formuliert die o.a. Staatsanwaltschaft, daß Auflagen wie das Verbot des Windschattenfahrens und die Einhaltung der StVO, insbesondere des Rechtsfahrgebots, für sich allein bereits mit dem Charakter eines Radrennens nicht vereinbar sind und rechtswidrig sind.

Die begrüßenswerte Tendenz, Radrennen örtlich „hin zum Zuschauer“ zu organisieren, führt in vielen Fällen zu weiteren Gefährdungen der Rennfahrer durch verkehrstechnisch bedingte Verbauungen (Verkehrsberuhigungen, Engstellen, Poller, Schwellen, Kopfsteinpflaster, lackierte Straßenflächen, etc.). Zu kurz gewählte Rundenlängen stellen dann insbesondere bei feuchter Witterung ein zusätzliches Gefahrenpotential dar.

Lautsprecherdurchsagen nach Dutzenden von Stürzen bei Nieselregen und Kopfsteinpflaster, in denen die Fahrer aufgefordert werden, langsamer zu fahren, sind eine lächerliche Bankrotterklärung. Wenn ein Rennen von nicht einmal 1 h drei Mal wegen schwerster Stürze abgebrochen wird, muß man bei 500m Rundenlänge vielleicht diese in Frage stellen. Es gäbe weitere Beispiele. Die Wahl zwischen der Sicherheit der Rennfahrer und der Zuschauerattraktivität stellt sich nicht. Zuschauer sollten nicht kommen, um wie in einer Zirkussituation möglichst viele Stürze zu sehen, sondern um hochklassigen Sport mitzuerleben. Strecken müssen bei jeder Witterung allen Rennfahrern gleiche Bedingungen liefern. Die wahre fahrerische Stärke eines Fahrers soll im Rennen entscheidend sein, weniger sein technisches Vermögen und seine Risikobereitschaft in Kurven und anderen Gefahrenstellen.

 

Verbesserungsvorschläge
(Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und sollte idealerweise durch eine lebhafte Diskussion zweckdienlich angepaßt, verändert und ergänzt werden. Zielrichtung ist hier beispielhaft die Eliteklasse Männer).

1)
Es muß unter allen Umständen versucht werden, die Anzahl der Straßen- und Rundstreckenrennen wieder zu erhöhen. Erleichterungen bei den Genehmigungsgebühren und andere Anreize sollten gegeben werden. Zu diskutieren wäre dagegen z.B. eine Verteuerung der G-Gebühren für Kriterien bzw. eine Verbilligung, wenn der betreffende Verein zusätzlich noch ein SR oder RS veranstaltet.

2)
Anzustreben wäre eine Wettkampfserie aus hauptsächlich Straßen- und Rundstreckenrennen mit Terminen über das gesamte Wettkampfjahr. Der Fokus auf das Frühjahr sollte entfallen.

3)
Nach österreichischem Vorbild sollten örtliche Wochenendkonzentrationen an Rennen erfolgen. Diverse Veranstalter in einer Stadt oder einer Region sollten ihre Kräfte bündeln. Beispiel: Freitag Nachmittag/abends kurzes Kriterium (mind. 60km) oder Zeitfahren (EZF/BZF/MZF). Samstag langes Kriterium (80-100km) oder Rundstreckenrennen (mind. 100km). Sonntag Straßenrennen (mind. 150km) oder schweres Rundstreckenrennen (mind. 120km). Eventuell Gesamtwertung Einzel/Team.

4)
In Ferienzeiten könnte sogar an Wochenveranstaltungen ähnlich einem Etappenrennen innerhalb einer Region gedacht werden.

5)
Der Wettkampfterminkalender des BRV muß über das Jahr gesehen wieder harmonisiert werden. Doppelbelegungen eines Renntages sind unter allen Umständen zu vermeiden. In jedem Monat sollte es gleiche Startmöglichkeiten in allen Disziplinen geben.

6)
Die Disziplin „Rundstreckenrennen“ muß als vernünftigster Kompromiss sehr viel stärker in den Vordergrund treten, da sie bei einer schweren Charakteristik Straßenrennen durchaus ersetzen können. Die Distanz sollte mind. 100km betragen, Rundenlängen über 5km bei ansprechenden topographischen Schwierigkeiten (Berg, Welle, Wind) wären zweckdienlich.

7)
Zur Steigerung des Leistungsniveaus sowie nebenbei als zusätzliche Entzerrungsmaßnahme bei der Startaufstellung und im sturzträchtigen Anfangsrennverlauf sollten grundsätzlich die Rennen wieder mit Vorgaberegelung gefahren werden. Auch bei Kriterien sind Vorgaben (z.B. 30sek) durchaus eine Option.

8)
Strecken- und Rundenlängen sind wieder der WB Straße anzupassen. Die vorgesehenen Ausnahmen sollten strikt solche bleiben. Kurze Kriterien unter 80km  und auf kurzen Runden unter 800m sollten ausschließlich an Rennabenden wochentags ausgefahren werden.

9)
Plazierungen in Rennen unter 80km sollten nicht zum Aufstieg oder Erhalt der Leistungsklasse (ABC) zählen. Zu diskutieren wäre auch, ob Kriterienplazierungen dazu zählen sollten. Hier wäre dann ein Anreiz für Rennfahrer und Veranstalter gegeben, auf die unsinnige Konzentration auf diese Wettbewerbsart zu verzichten.

10)
MTB-Marathons als physiologische Alternative eines Straßenfahrers sollten mit im Straßenterminkalender aufgeführt werden, um die Teilnahme attraktiver zu machen. Zuvor müßten allerdings Regelungen zu Preis- und Nenngeldern ähnlich dem Straßenradsport erfolgen. Veranstalter/Agenturen sollten die Richtlinienkompetenzen von Sportverbänden akzeptieren müssen, bis hin zur Genehmigung einer Veranstaltung.

11)
Startaufstellungen sollten entweder leistungsgerecht nach einer stets aktualisierten Rangliste oder wenigstens nach Eingang der Nennung erfolgen. Zumindest sollten Trassierbänder und Ordner eine Gasse für von vorne kommende Fahrer freihalten, die sich dann hinten aufzustellen haben. Diese Regelung sollte strikt durchgezogen werden. Eine Vorgaberegelung würde die gesamte Problematik bereinigen.

12)
Stichprobenartig sollten unbedingt vermehrt bei allen Rennen - so wie eigentlich vorgesehen und festgelegt - Dopingkontrollen durchgeführt werden, um mit dieser potentiellen Aufdeckungsmöglichkeit Mißbrauch im Keim zu ersticken. Großartige Leistungen erscheinen so weniger fragwürdig, aber u.a. auch Bedenken von Eltern sich für Radsport interessierender Kinder wären entkräftet.

13)
Potentielle Sturzräume auf Rennstrecken sind unbedingt besser abzusichern. Alibimäßig abgelegte Strohballen in Tretlagerhöhe vor Bäumen, Laternenpfählen, Wänden, etc. entsprechen nicht dem erforderlichen Stand der Sicherung. Völlig ungesicherte feste Hindernisse z.B. wie fest einbetonierte Stahlbügel in Kurvenausläufen verbieten sich vollkommen. Bei der Streckenauswahl sollte auf Chancengleichheit und Risikominimierung bei allen Witterungsbedingungen geachtet werden, auch eventuell zu Ungunsten der Publikumsattraktivität.

14)
Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, die rechtliche Vorgabe einer Vollsperrung des Verkehrs auf Rennstrecken oder zumindest die der Einbahnregelung zu 100% umzusetzen. Selbst nur ein toter Rennfahrer wäre zuviel. Ein vollständig abgesichertes RS ist einem SR auf einem längeren Kurs bei Nichterfüllung dieses Kriteriums in jedem Falle vorzuziehen. Führungsfahrzeugen (Veranstalter, PolizeiKräder) muß generell die rechtlich untermauerte Handhabe gegeben werden, eventuell doch entgegenkommenden Verkehr zum Halten und Verbleib am äußersten rechten Straßenrand zu bringen.

15)
Die Startzeiten bei Straßenrennen im Frühjahr sind rennfahrer- und v.a. publikumsfreundlicher zu gestalten. Bei einer rechtlich gebotenen Vollsperrung der Rennstrecke besteht auch kein Grund mehr dafür, Radrennen „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ zu fahren.

16)
Der BDR fordert im neuen Lizenzantrag 2006 fahrerseits eine genaue Inspektion der Rennstrecke und die Anmeldung von Absicherungsmängeln. Zur objektiveren und wirkungsvolleren Durchsetzung von Fahrerbelangen ist die Installierung einer Vertretung aus Fahrern und Sportlichen Leitern zu überdenken („Fahrergewerkschaft“). Vertreter dieser Fahrersprecher möglichst aus allen Vereinen sollten Mängel sofort anzeigen und entsprechend auch auf das Fahrerfeld einwirken. Dies kann bis zur Startverzögerung bis zur Behebung des Mangels, zur Neutralisation eines Rennens z.B. bei Sturzorgien oder zum Stoppen eines Rennens z.B. bei laufendem Gegenverkehr führen. Grundsätzlich sollte die eigenverantwortliche Position des Rennfahrers und sein Mitspracherecht stärker gefördert werden, denn der Rennfahrer setzt seine Gesundheit aufs Spiel.

17)
Seit Jahren steigen die aufzubringenden Kosten für die Ausübung des Radsports unaufhörlich an. Im gleichen Zeitraum sind die Preisgelder stets gleich geblieben. Hier ist dringend eine Anpassung vorzunehmen.

18)
Die Praxis von Veranstaltern, das Nenngeld vorab per Banküberweisung einzufordern, um auf Kosten der Rennfahrer den Rennetat auf die Beine zu stellen, sollte eingedämmt werden. Hier müssen die Veranstalter andere Wege finden. Zu überlegen wäre auch, den Preis für eine Jahresrennlizenz stark anzuheben, daraus auch Veranstalter je nach Disziplin zu bedienen und ansonsten die Rennen nenngeldfrei zu gestalten. Wer häufig an Radrennen teilnimmt, amortisiert seinen Pauschaleinsatz, während ein Vielstarter derzeit bestraft wird.

19)
(weitere Vorschläge)

 

Thomas Hartmann, Diplom-Trainer, November 2005

 

Der Autor ist Absolvent der Trainerakademie Köln und Inhaber sämtlicher bundesdeutscher Trainerlizenzstufen im Radsport. Als Trainingsmethodiker und Sportwissenschaftler veröffentlicht er neben seiner praktischen Arbeit laufend Beiträge und Aufsätze. Im Radrennsport ist er nach internationalen und nationalen Erfolgen als 45-jähriger Aktiver immer noch der Eliteklasse A und bayerischen Spitze zugehörig.