Diplomtrainer und Sportheilpraktiker:
"Doping im Radsport - offen und ehrlich"

Der Präsident des Weltradsports wendet sich gegen nachträgliche Dopingkontrollen, weil er mit dem Schlimmsten rechnet. Und sagt damit endlich einmal, was viele denken.

Bedarf es noch eines Anlasses, ARD/ZDF zum Ausstieg aus der Tour-Berichterstattung zu gratulieren? Pat McQuaid hat ihn geliefert. Der Boss des einer Dopingbekämpfung notorisch unverdächtigen Radweltverbandes UCI räumt ein: "Jawohl, bei uns wird gedopt auf Teufel komm raus. Weiß eh jeder - gerade die Siege werden von Betrügern rausgefahren! Das zeigt doch die ständige Umverteilung des Siegerlorbeers. Und klar würde das so weitergehen, wenn nun rückwirkend noch verbesserte Tests angewendet würden. Also bleibt uns vom Hals damit!"

Das hat McQuaid tatsächlich gesagt, nur in etwas anderen Worten. Nämlich: "Wenn wir jetzt hingehen, die Proben der letzten zwei, drei Jahre kontrollieren und den Veranstaltern dann sagen: Ihr müsst euer Podium umkrempeln, wäre das eine Verhöhnung für den Radsport." Es ist eine Verhöhnung des Radsports, was der schlichte Ire da erzählt. Und für die Radprofiszene insbesondere, der McQuaid ja unverblümt attestiert, ein heilloser Saustall zu sein: Bloß keine rückwirkenden Tests mit effektiveren Methoden, die Letzten könnten die Ersten sein. Das ist die Gefahr, die McQuaid sieht, der erst gar nicht versucht, eine Lanze für die Profis zu brechen: Er lehnt aussagefähige Nachtests ja keineswegs deshalb ab, weil er seine Athleten für sauber hält - sondern weil er ganz offen mit dem Schlimmsten rechnet.

In dieser entwaffnenden Stupidität erweist sich der Ire als Optimalbesetzung an der Spitze einer Dopingsportart. Auch aus Sicht derer, die es mit einem sauberen Sport halten: Bei McQuaid weiß man wenigstens, was er will (Ruhe im Karton) und was nicht (effektive Dopinganalyse). Das ist zu begrüßen, mit dem smarteren Teil seiner Kollegenschar bleibt es ja schwierig genug. Hört man etwa den deutschen Sportboss Thomas Bach, meint man fast, einem Antidopingaktivisten zu lauschen. Er rügt die Jusitz wegen fehlender Strafverfolgung der Hintermänner im Dopingzirkus, ansonsten: Alle Gremien sollten unter Regie der UCI, guten Morgen, an den Tisch; ARD und ZDF seien zu früh ausgestiegen und solche Entscheidungen erst zu treffen, wenn alle Fakten vorliegen.

Bach will mehr Fakten, mehr runde Tische, mehr Palaver. Was das soll? Die übliche Funktionärsrhetorik. Das Problem aussitzen, am Ende heißt es: Weiter so! Kein Anlass zur Besorgnis, solange das ZDF ruhig bleibt, in dessen Fernsehrat der Firmenberater sitzt. Was es aus Sicht der Betrugsbekämpfer zu sagen gilt, erledigt Beate Merk. Bayerns Justizministerin sieht Topfunktionär Bach als Blockierer einer effektiven Strafverfolgung: "Wie wollen Sie an Hintermänner kommen, wenn der dopende Sportler jede Aussage verweigert, Sie bei ihm aber nicht durchsuchen können, weil der Sportler selbst sich nach geltendem Recht nicht strafbar macht? Dann ist es kaum möglich, an Materialien, Bestellungen, Adressen und damit an die Drahtzieher zu gelangen." Eigentlich liegen die Dinge auch hier ganz einfach. Nur verkauft sie mancher besser als McQuaid.

sueddeutsche.de, 23.10.08
Ein Kommentar von Thomas Kistner