Aktuelles: Auflösung des Radrennteams des TSV Unterhaching, mein Rücktritt als Trainer

 

Liebe Teamfahrer,

Obwohl ich eigentlich erst abwarten wollte, wie das TSV-Präsidium auf meine Stellungnahme reagiert - der Schriftwechsel ist Euch bekannt - möchte unser Abteilungsleiter anlässlich des heutigen Teamabends, daß ich bei den Rennfahrern quasi die Vertrauensfrage stelle.

Ich glaube, daß hier von völlig falschen Voraussetzungen ausgegangen wird. Dieses Team ist das Ergebnis meiner Arbeit der letzten Jahre, es ist von mir allein geschaffen und vorangetrieben worden. Ohne meine zentrale Funktion gäbe es das Team heute nicht. Deshalb bin ich nicht auf das Wohl und Wehe durch die Rennfahrer angewiesen.

Nach genügend langer Testphase seit meinem vorläufigen Rücktritt im letzten Sommer und Wiederaufnahme meiner Tätigkeit erkläre ich hiermit das Radrennteam des TSV Unterhaching in seiner jetzigen Form für aufgelöst. Mein Trainerdasein im TSV ist hiermit unwiderruflich beendet.

Gründe:
Meine Zielvorstellungen für ein Radrennteam decken sich nicht mit denen der Fahrer. Die geforderte notwendige Arbeit und das entsprechende Verhalten bzw. Lebensführung für den angestrebten sportlichen Aufstieg werden nicht oder nur unvollständig akzeptiert. Der Fokus für den Sport wird nicht gehalten.

Persönliches:
Ich bin sehr deprimiert und frustriert darüber, daß mein Traum eines außergewöhnlichen Radrennteams, den ich seit drei Jahren ausschließlich - sogar unter Vernachlässigung meiner eigenen wirtschaftlichen Existenz - verfolge, gescheitert ist. Ich wollte mittelfristig eine Truppe aus A-/B-Fahrern schaffen, deren überragende Stärke das Teamwork ist und die die bayerischen Rennen mitbeherrschen. Es ging also nicht nur darum, einzelne Fahrer hochzubringen, sondern das Meisterstück wäre gewesen, dann noch alle Fahrer in ein wirklich überragend wirksames Geflecht zu stellen. Ein wirkliches „das Ganze ist mehr als die bloße Summe seiner Teile“.

Unter den Vorzeichen meines Anspruchsniveaus konnte ich die Masse der Fahrer nicht ausreichend motivieren, ihre Individualität und Egozentrik zugunsten einer effektiven Bündelung aller Einzelkräfte für das Team entsprechend zu modifizieren. Ich bin sehr traurig darüber, daß ich als Trainer in dieser Hinsicht versagt habe. Mein getätigter Aufwand wurde als selbstverständlich genommen und ist durch nichts mehr zu rechtfertigen. Immer wieder habe ich betont, daß ich Mittelmäßigkeit mit meinem Namen nicht unterschreibe.

Es tut mir sehr weh, zu sehen, wie bei vielen von Euch der Glanz in den Augen beim Thema Radsport erloschen ist und wie sehr dies mein eigenes Feuer und meine Motivation beeinflusst. Es belastet mich sehr, daß ich mit meinem Ziel nicht nur Widerstand und Ablehnung seitens der Fahrer erfahre, sondern daß ich auch grundsätzlich offensichtlich nicht das Vertrauen der Vereinsführung genieße.

Für mich war das ein Langfristprojekt, das auch irgendwann einmal meine wirtschaftliche Existenz sichern sollte. Das Nichterreichen dieses Ziels, der Zusammenbruch meiner Ideale, sowie einige weitere schwerwiegende Dinge aus meinem unmittelbaren Lebensbereich haben mich die letzten Wochen in eine schwere Krise geführt. Dabei habe ich mehrfach äußerst dünnhäutig gegenüber einzelnen Fahrern reagiert. Dies tut mir sehr leid und ich entschuldige mich ausdrücklich dafür. Denn wenn auch meine Idee eines homogenen Teams so nicht funktioniert, so möchte ich doch ausdrücklich mit allen Fahrern mein gutes Verhältnis weiter aufrechterhalten.

Was ändert sich für Euch?
Eigentlich wenig oder aber doch sehr viel. Ihr bleibt selbstverständlich lizenzierte Radrennsportler und startet für den TSV Unterhaching. Die einzelgängerische Komponente wird nun vollends heraustreten, jeder kann nun machen, was er will. Dies wird ja so gewünscht. Ob Ihr Euch zu so etwas wie einer Mannschaft zusammenfinden könnt, bleibt abzuwarten. Ihr kommt natürlich weiterhin in den Genuß der vorhandenen Sponsorleistungen, soweit sie denn noch gewährt werden. Beim Material helfe ich auf Wunsch weiterhin im bekannten Rahmen (Stand: Herbst 2004).

Ich ziehe mich aus allem zurück. Gerne bin ich noch als Euer Ratgeber tätig, wenn Ihr den Kontakt sucht. Trainingspläne könnt Ihr bei mir auf gewerblicher Basis erwerben. Sollte mir der Verein den Übungsleitervertrag nicht kündigen, werde ich als Gruppenleiter und Aufsichtsperson beim Vereinstraining dabei sein. Wie in anderen Vereinen auch wird man sich halt zwei bis drei Mal pro Woche zum „Radeln“ treffen, etwa unter den Vorzeichen wie: Dienstag Schnelligkeit, Mittwoch Umfang, Donnerstag Kraftausdauer. Es wird keine zielgerichtete Arbeit mehr geben.

Eventuell kann ich meine Ratgebertätigkeit auch noch dorthin ausweiten, wo es wirklich sehr viel bringt: in das Renngeschehen. Ich habe während der VP1, die noch sehr gut gelaufen ist und mich fast euphorisch werden ließ, eine Lizenz für 2005 beantragt, um Euch mit meiner Erfahrung im Rennen als „capitain de la route“ helfen zu können. Ob ich in diesem Bereich angesichts der neuen Vorzeichen durchziehen werde, ist sehr ungewiss.

Gruß, Euer Thomas Hartmann
Deisenhofen, 14.02.2005