Aktuelles: Bericht Vaude Trans-Schwarzwald (19.-25.8.2007)
Dieses Etappenrennen über sieben Tagesteilabschnitte fand heuer nach erfolgreicher Premiere zum zweiten Mal statt und durchquerte die Schwarzwaldregion von Nord nach Süd. Gut hundert 2er-Teams in verschiedenen Kategorien nahmen den Kampf von Pforzheim nach Murg-Niederhof über 550 Gelände-km und 13700Hm auf, etwa 80 Teams kamen durch. Vom Team www.hardi.net startete Teamleiter Thomas Hartmann mit unserem erst 19-jährigen Gastfahrer David Witty aus Garmisch-Partenkirchen in der Eliteklasse. In einem Rennen der Pleiten, Pech und Pannen, die fast allesamt der Senior auf sich vereinte, belegten wir schlussendlich trotz einer ernsteren Verletzung am Vorschlußtag einen 12.Gesamtrang und hatten viel Spaß in einer tollen, gut organisierten Veranstaltung.
18.8.2007: Anreise Da mutete es fast wie ein Wunder an, als mich David kurzfristig anrief und nach einem Partner suchte. Sein Bruder hatte letztes Jahr einen Freistartplatz gewonnen und diesen auf ihn übertragen. In meinem Fall zeigte sich der Veranstalter äußerst kulant und so stand dem Start eines fast skurril anmutenden Duos aus altem Rennpferd (47) und jungem Himmelsstürmer (19) in der Eliteklasse nichts mehr im Wege. Nach dem Vormittagstraining in München reiste ich am Nachmittag in Pforzheim an. Akkreditierung, Essen und schon war es Zeit zum Schlafengehen im Massenlager, diesmal in der hiesigen Eissporthalle. An Sporthallen und deren sanitäre Einrichtungen sollten wir uns in der folgenden Woche noch satt sehen ...........
19.8.2007: 1.Etappe Pforzheim - Bad
Wildbad, 69km/2.020Hm
Trotz guter Position waren wir beide anschließend in einer Verfolgergruppe auf eine
größere Spitze festgenagelt. David ging es bei der flachen, leicht welligen
Forstwegraserei nicht so gut und ich mußte relativ viel machen. Schließlich
attackierte ich die Gruppe mit ihm am Rad und fuhr zur Spitze vor.
Dort war es eigentlich ein gutes Fahren im Sog, am ersten großen Berg bei km
20 bekam David Probleme, eine anschließende Verfolgungsjagd mit Michael Rich
(!), dessen Partner ebenfalls Probleme bekundete, war zu flott. Später
ereilten ihn noch Krämpfe und so fanden wir schließlich unseren Rhythmus,
wurden noch von diversen Paaren geschluckt und landeten schließlich nach
3,25 h mit 26min Rückstand auf Platz 11.
Die ewige Führungsarbeit mit großen Gängen sollte sich noch bitter bei mir
rächen .......
Die Stimmung und die Verpflegung im Ziel war wie jeden Tag bombastisch. Nach
der Erstakkuaufladung ging es dann zum vorbildlichen Bike-Wash, anschließend
in das Massenquartier, wo schon die mit der Startnummer versehenen, vom
Veranstalter zur Verfügung gestellten Taschen bereitstanden.
Danach Duschen, etwas Ruhe und Brotzeit, dann Materialpflege, später das
große Abendessen des Veranstalters mit stimmungsvoller Tagessiegerehrung und
dem Video der jeweiligen Etappe.
So verging die Zeit wie im Fluge und pünktlich um 22 Uhr gab es die
Augenpflege auf der ungewohnten Luftmatratze, im Schlafsack und ob der
Geräuschkulisse mit verstöpselten Ohren - aber es war schon OK so.
20.8.2007: 2.Etappe Bad
Wildbad - Bad Rippoldsau, 94km/2.800Hm
Ich wartete auf ihn und fuhr dann mit einzelnen Paaren recht stressig
raus-rein, das Ganze bei Nieselregen. Wieder investierte ich sehr viel
Kraft. In einem eigentlich unschwierigen, mit Holzstücken übersäten Trail
traf ich eine verborgene glitschige Schrägwurzel und überschlug mich. Mir
war nichts passiert, aber der Rahmen war eingedellt und ein Bremshebel
verbogen.
Dessen Zurückbiegen kommentierte ich lautmalerisch in der Fäkalsprache und
schon ging es weiter, ich immer noch von vorne und wir immer alleine. Auf einem
regennassen Holzsteg knallte ich im Schritt-Tempo nochmals auf die Hüfte und
holte mir eine schöne Prellung.
Schließlich war meine Kraft verbraucht und David zeigte - auf einmal
irgendwie freigeschossen - seine wahre Klasse, v.a. an langen Bergen: wie
weiland Lance kurbelte er derartig spritzig hochfrequent dahin, daß mir Hören und Sehen
verging. Dies sollte dann für die restlichen 3/4 der Rundfahrt der
vorherrschende Dauerzustand sein.
Erst einmal verbiss ich mich in sein Hinterrad, wir bekamen noch ein
recht flottes Tempo hin und wurden nach 5 h und mit 48min Rückstand trotz
eines kleinen Sturzes von David im Abschlußdownhill mit dem
9.Platz und dem 10.Gesamtrang belohnt. Jetzt war ich doch schon ein bißchen
platt.
21.8.2007: 3.Etappe Bad Rippoldsau -
Wolfach, 57km/1.550Hm
Zunächst aber standen wir wie jeden Tag um 7 Uhr auf, nahmen am Buffet ein
recht ordentliches Frühstück ein, danach ging es nochmals zum "Abflacken",
um sich schließlich beizeiten umzuziehen, die Taschen zu packen, abzugeben
und sich warmzufahren.
Am Startberg bekundete ich erstmals bei dieser Rundfahrt Probleme. Ich hatte
schlechte Beine, die Luftfeuchtigkeit bei passablem Wetter war sehr hoch und vorne wurde sofort
mit aller Macht attackiert. David ging es wesentlich besser, er wartete dann
auf mich. Wir fuhren in kleinen Gruppen, ich versuchte, Kraft zu sparen und
meinen Rhythmus zu finden.
Dies gelang schließlich und wir fuhren noch ein recht ordentliches Finale
auf aufgeweichter Strecke mit Kurs auf Tagesrang 11. Plötzlich knallte mir 2,5km vor dem Ziel mitten
in der schönsten Attacke auf der Kuppe des letzten Berges das Hinterrad weg.
Die Latexmilch konnte den 5mm langen Schnitt nicht abdichten, auch eine auf
gut Glück investierte Druckluftpatrone brachte nichts. Ich entschied mich,
auf der Felge ins Ziel
zu fahren, da das Flicken zu viel Zeit gekostet
hätte.
Das von uns attackierte Paar nahm uns bis ins Ziel 6,5min ab, so viel hatten
wir beim Rumfuchteln, dem finalen Downhill mit Platten und dem ewigen
Gekurve auf nassem Asphalt im Zielort verloren.
So wurden wir Tages-16. mit 28min Rückstand bei 2,5 h Fahrzeit und rutschten
in der Gesamtwertung auf Platz 11 ab. Nach meinen beiden Stürzen gestern und
dem Defekt heute vermeinte ich schon, mein Pechkontingent für diese Woche
ausgeschöpft zu haben. Es sollte aber noch wesentlich schlimmer kommen.
22.8.2007: 4.Etappe Wolfach - Schonach,
57km/1.850Hm
Mit kraftlosen Gummibeinen versuchte ich meinen
Rhythmus zu finden, was mir im Verlauf des Rennens dann auch einigermaßen
gelang - David war wieder vom Startschuß weg superstark. So waren wir später
wieder passabel schnell unterwegs in Richtung unseres obligaten
10.Tagesranges.
Gegen Ende eines langen Anstiegs, den ich im Delirium
am Hinterrad von David verbrachte war mir so, als hätte ich einen komischen
Richtungspfeil vorbeihuschen sehen, aber ich hatte kein Extrakorn Energie
mehr übrig und verließ mich auf den Führungsmann David, der 3 Mann gut 2km
bergab nach Triberg führte.
Dort realisierten wir dann, daß wir uns verfahren
hatten, nachdem keine Streckenmarkierungen mehr zu finden waren. Hätte uns
auch während der Abfahrt auffallen müssen, als uns ein Orga-KFZ entgegen kam
und uns bald rammte.
Wutschnaubend rammelten wir die Steigung wieder hoch,
bei der Hälfte kam uns dann u.a. auch noch die Damenspitze entgegen, die das
gleiche Schicksal ereilt hatte. Der Veranstalter meinte später, irgendein
Spaziergänger hätte das Schild gedreht ........
Wir verloren etwa 15min und die ganze Schinderei war
umsonst gewesen. Als Tages-16. hatten wir schließlich 38min Rückstand bei
einer Fahrzeit von 3,25 h und rutschten auf den Gesamt-12. ab.
Um das Maß noch voll zu machen, realisierte ich im
Ziel, daß mir im letzten Downhill die Halteschelle eines Bremshebels
gebrochen war, so daß sich dieser jederzeit zwanglos hätte vom Lenker
befreien können .......... an die Folgen darf man gar nicht denken .........
An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei Marco
bedanken, dem Profimechaniker vom Multivan-Merida-Team, der mir spontan das
Bremshebelpaar für lau gegen ein neues, eher besseres austauschte. Danke,
Alter!
23.8.2007: 5.Etappe Schonach - Engen,
116km/1.990Hm
Ab dem Frühstück war mir jedoch total schlecht, am
obligaten Startberg, der geteert, nicht zu steil und somit auf mich
zugeschnitten war, ging gar nichts und nach 2km mußte ich mich sogar
übergeben, so daß ich noch hinter der Damenspitze lag.
Dann aber fing es an einigermaßen zu rollen, ich fuhr
auf das relativ große Feld der
Damenspitze auf, in dem reichlich Männer an Damen-Hinterrädern
schlauchten, setzte mich später ab und fuhr alleine zu einer weiteren Gruppe
vor.
Zwischenzeitlich kam auch David von vorne zurück und
nun machten wir für den Rest des Tages ordentlich Ramba-Zamba, denn ich
hatte die beiden Gesamtelften hinter mir gelassen und die Chance auf eine
Resultatsverbesserung bestand.
Leider konnte ich immer noch nichts essen und ich
fuhr mich mit 2 Gels in das absolute Delirium. Dabei bestand wie jeden Tag
die Chance, sich ordentlich bei den vorbildlichen Verpflegungsstellen (mit
Flaschentausch!) eindecken zu können.
Erwähnt werden müssen auch die angegliederten
Materialdepots, die wie alle Infos in einem perfekten Roadbook inklusive
Anfahrtsbeschreibung vermerkt waren, so daß alle Betreuer - sofern vorhanden
- mehrmals pro Etappe helfend eingreifen hätten können.
Im Finale bei km 15 ließen wir es aus unserer Gruppe
heraus bei einer längeren Abfahrt ordentlich laufen und verlängerten. Nun
winkte trotz des bescheidenen Beginns der Etappe sogar wieder ein sehr
ordentliches Resultat!
Entsprechend motiviert warfen wir die letzten Körner
in den Ofen, als sich plötzlich mein Vorderreifen verabschiedete - ein Stein
hatte die Seitenwange aufgeschlitzt. Wieder ein Defekt im entscheidenden
Moment! Das Wechseln dauerte gut 9min, die Moral war im Keller und wir
rollten reichlich unmotiviert ins Ziel: 12.Tagesplatz und Gesamt-12., 33min
Rückstand bei einer Fahrzeit von 4,75 h.
Ich war absolut tot.
24.8.2007: 6.Etappe Engen - Grafenhausen,
68km/1.470Hm
Völlig drucklos fiel ich am Startberg wie ein Stein durch das Feld und hatte
wirklich Glück, daß nach 8km das gesamte Feld wegen eines freilaufenden
Stiers neutralisiert wurde. So begann das Rennen von neuem für mich bei
gleicher Kraftlosigkeit.
Wieder wurde ich abgehängt, David muß der Verzweiflung nahe gewesen sein.
Wenigstens in den Abfahrten wollte ich gut machen, irgendwie verdrängend,
daß ich ja gestern meinen lebensrettenden, griffigen Pneu geschrottet hatte
und nun mit einem wesentlich rutschigeren Vorderreifen unterwegs war.
In einem steilen, schlammigen Hohlweg war es dann soweit: einige
Angstbremser produzierten einen Stau, einer legte sich hin. Ich kam von
hinten mit einem Mordszacken, wollte trotz Chancenlosigkeit noch ausweichen,
rutschte vorne weg und legte mich dazu.
Alles Erde und Schlamm, nur mein Gesicht traf wohl einen Stein, jedenfalls
ergab sich eine ziemlich blutende Platzwunde zwischen Augenbraue und
Schläfe, mein Gesicht schwoll in der Folge gut zu und ein Brummschädel ließ
nur noch mäßiges Tempo zu. Fazit: 3,25 h Fahrzeit, 26min Rückstand,
21.Tagesrang, noch 12.Gesamtrang. Positiv: sehr schönes Wetter.
Im Ziel untersuchte mich der recht kompetente Rennarzt mit vielen Tests und
Nachfragen bemerkenswert gründlich, desinfizierte und
nähte mich gleich vor Ort.
Ein Antreten zur letzten Etappe hielt er eigentlich für ausgeschlossen, aber
wir wollten erst am nächsten Renntag entscheiden.
25.8.2007: 7.Etappe Grafenhausen - Murg/NH,
84km/1.940Hm
David hatte dieser Tage derart aufopfernd gekämpft und auch ich war sehr
engagiert gewesen, so daß ich einfach versuchen mußte, das Rennen wenigstens
aufzunehmen, um es zu einem einigermaßen versöhnlichen Abschluß zu bringen.
Wir fuhren bewußt langsam los und testeten bei wundervollem Wetter meinen
Zustand. Sehr langsam steigerte David das Grundtempo, ich konnte
einigermaßen mithalten. Schließlich waren wir recht flott unterwegs und
rollten Gruppe um Gruppe auf, wobei David heute wirklich alles von vorne
nahm und eine Riesen-Moral aufwies!
Natürlich zeigte ich heute in den Abfahrten einigen Respekt, doch mit einem
sehr hart erkämpften 13.Tagesrang verteidigten wir schließlich bei einer
Gesamtfahrzeit von 25.34 h unseren 12.Rang im Abschlußklassement dieser
Rundfahrt, der ohne unser Pech realistischerweise ein 9. oder 10.Platz hätte
sein müssen.
Fazit:
Die ersten beiden Tage ging es mir recht gut, David kam leider recht schwer
ins Rollen. Allerdings verwendete ich zu harte Gänge und schenkte mir
dadurch kräftig einen ein, zwei kleinere Stürze brachen zusätzlich meinen
Rhythmus.
Aufgrund meines Alters und wohl auch als Folge meiner immer noch bestehenden
gesundheitlichen Schwierigkeiten regenerierte ich sehr schlecht.
In dem Maße wie ich abbaute, legte David bemerkenswert zu und war ab dem
3.Tag der klar Stärkere, v.a. am Berg, wo ich mit seinem spritzigen Tempo
und seinen auffällig hohen Trittfrequenzen in keinster Weise mitgehen
konnte. Lediglich im Flachen und in den Abfahrten hatte ich starke Phasen,
sofern die meist schlechte Startphase überwunden war.
So richtig abwärts ging es nach meinem Magenproblem auf der 5.Etappe, als
ich mich übergeben und nichts essen konnte und mich völlig ausbrannte -
moralisch sowieso, nachdem zu meiner Leistung auch noch zwei Defekte bei mir
in entscheidenden Momenten dazukamen. Dabei hatte unsere Motivation schon am
Vortag schwer gelitten, als wir durch Verfahren 15min verloren hatten.
Der Gipfelpunkt war dann mein schwerer Sturz auf der vorletzten Etappe, der
eigentlich das DNF bedeutet hätte. Dabei hatte ich noch sehr viel Glück,
denn wie sich erst am Montag beim Röntgen herausstellte, erlitt ich noch
zusätzlich eine Fadenfraktur am Augenhöhlenrand.
Stellt man alleine meine drei Stürze, das Verfahren und die zwei Defekte in
Rechnung, so wird deutlich, daß eine Zielstellung "TopTen" durchaus
realistisch gewesen war.
So blieb der 9.Platz auf der 2.Etappe unsere beste Einzelplazierung, der
12.Platz im Schlußklassement des starken Elitefeldes entsprach zwar nicht
ganz unseren Erwartungen und unserem Leistungsvermögen, hatte aber durchaus
etwas für sich.
Immerhin haben wir ganz großen Kampf gezeigt, die Rundfahrt hat trotz des
wechselhaften Wetters Spaß gemacht und wird nun hoffentlich zum Saisonende
nochmals zu einem markanten Formanstieg führen.
Hardi
UPDATE 04.05.2011:
(Fotos) |