Aktuelles: Bericht Kroatien-Rundfahrt (24.-29.5.2000)

 

23.5.2000:
Wider aller Erwartungen ging es am Dienstag morgen, 23.5.2000, in München los. Eine Mordsstrecke bis Vukovar, fast bei Belgrad, lag vor uns. Erschreckende Organisationsmängel taten sich sogleich auf, ich war nur für den Kontakt und die Meldung beim Veranstalter, sowie für die Auslandsstartgenehmigungen verantwortlich gewesen, alles andere hatte ich dem Team, bei dem ich als Gastfahrer starten sollte, überlassen.

Als erstes hatten wir bis kurz vor Toreschluß keine Transportmöglichkeit, schließlich mußten wir mit zwei PKW, einer davon der private eines Rennfahrers (!) die Strecke in Angriff nehmen. Im letzten Moment sagte noch ein Renner wegen "Krankheit" ab, blieben nur noch fünf kleine Negerlein. Wir hatten erst nur einen Betreuer, der überdies vom Radsport überhaupt keine Ahnung hatte, ganz kurzfristig konnte ich einen zweiten Mann aus meinem Heimatverein motivieren (Danke, Fritz!), der aber auch ein Newcomer war. 

Am Chiemsee kam dann auf, daß für die Mannschaft die Trikots vergessen wurden, beim Zusammenlegen der Privatbestände kam dann ein Satz heraus, mehr als Größe M war für mich allerdings nicht drin, ich sah aus wie eine vollgefressene Wurst! Einige Renner hatten keinen Ersatzlaufrädersatz dabei, hatten sich voll auf eine funktionierende Infrastruktur verlassen, sich nicht einmal telefonisch versichert, ob alles da ist. Und dann fielen einige noch aus allen Wolken, weil die Reisekosten zum Start- und vom Zielort zurück von den Rennern getragen werden mußten, das hatte ich aber schon Wochen vorher bekannt gegeben. Kurz und gut: wieder einmal optimale profimäßige Bedingungen!

Nach 13 Stunden Fahrt kamen wir recht gerädert an, Abendessen und Hotel waren gut und die Laune besserte sich zusehends, erhielt aber sofort einen argen Dämpfer nach Studium des Tourbuches und der Streckenprofile: kurz gesagt, eine reine Bergrundfahrt mit 7 Etappen von 170 bis 240 km Länge. Prost Mahlzeit!

Meine "bekannt guten Bergfahrerbeine" fingen sofort an zu kribbeln, aber die anderen Renner, samt und sonders alle recht junge Kerle, wurden recht blaß um die Nasen.

 

24.5.2000: 1.Etappe, Vukovar - Vinkovci, 109km
Die einzige kurze Etappe sollte recht flach sein, quasi zum Einrollen. Wie jeden Tag herrschte eine Mordshitze, immer zwischen 30 und 35°C, so wie ich es mag, die ganze Woche keinen Tropfen Regen. Nach etwa 10km attackierte ich mit einer Fünfergruppe, die anfangs recht gut lief, mehr als 1min konnten wir aber nicht herausfahren, denn auch hinten wurde ein Höllentempo angeschlagen und nach 30km Flucht war das Abenteuer beendet. Immerhin hatte ich offensichtlich die besten Beine in der Gruppe gehabt. 

Von wegen flach: einige giftige Hügel und eine leichte Windkante sorgte für steten Kräfteverschleiß, trotzdem kam es zum Massensprint. Der war allerdings sehr heftig und wackelig, ausschließlich etwas für gehirnamputierte Reinhalter. Anfangs war ich noch recht weit vorne, nachdem sich einmal einer an meinem Ellenbogen, ein anderer an meiner Hüfte abgezogen hatte, ein Dritter mir einen Schlag in die Nieren versetzte, weil ich ihm nicht aufmachte und ich schließlich auf den Bürgersteig springen mußte,  um einem Massensturz zu entkommen, ließ ich locker - 46.Platz, aber gesund! Einer aus unserem Team mit einer bekannten Vorliebe für solche Sachen wurde - allerdings nicht ganz hasenrein - Vierter, bravo!

Vor dem Rennen hatten wir uns noch 45min recht straff warmgefahren, später an den anderen Tagen entfiel das wegen chronischer Erschöpfung! Nach dem Rennen habe ich noch mein Rad gewaschen und zentriert, mit jeder Etappe habe ich weniger Radpflege durchgezogen, nur noch das absolut Nötigste gemacht. Die anderen Rennfahrer haben uns angeschaut wie die Geister: die haben die Räder ihren Mechanikern übergeben, sofort bereitgestellte Kohlenhydrate hineingeschaufelt und sich auf die Massagebank gelegt (und sich in die mannschaftsärztliche Obhut begeben - Dopingkontrolle gab es nämlich bei 7 Etappen genau einmal!).

Bei einer Rundfahrt muß der Renner einfach absolut den Kopf freihaben, darf sich um nichts anderes kümmern als um das Radfahren und um die Regeneration, bei so einer langen Rundfahrt als Selfmade-Rennfahrer verliert man potentiell schon 20% an Leistung und kann das Ganze getrost als intensive Trainingsmaßnahme abhaken. Ich fühlte mich jedenfalls stark an Argentinien erinnert!

 

25.5.2000: 2.Etappe, Koprivnica - Zagreb, 198km
Eigentlich die entscheidende Etappe! Trotz bergigen Profils von Beginn an und eines Schlußanstieges von 12km mit Abfahrt ins Ziel nach Zagreb hinunter wurde gleich ein Tempo angeschlagen, als handelte es sich um ein kurzes Kriterium! Bei mir fing nach 10km der 17er an zu springen, nachdem die Nachbarabstufungen 15 und 19 waren, hatte ich da ein echtes Problem. Vom Feld setzten sich im Verlauf zwei Gruppen ab, im Endeffekt kam jedoch alles total zerfleddert in Zagreb an, das Klassement war im Prinzip gemacht.

An den Bergen ging es mir recht gut, ich bemühte mich mit leichten Gängen um Rhythmus, das einzig Wahre an so langen Cols. Und auf der Schlußabfahrt - wrumm! Nachdem allerdings vor mir ein Ungar in den Wald abgegangen war und die löcherige Straße immer mehr einer MTB-downhill-Piste ähnelte, habe ich eine Terz herausgenommen - bloß keinen Abgang! Es war immer noch ausreichend höllenschnell. 29.Platz heute (19min Rückstand) und schon reichlich Ausfälle. Ein neues 17er hat mir dann der ungarische Mechaniker geliehen, nicht ohne vorher nach dem Verbleib unseres Mechanikers zu fragen.

 

26.5.2000: 3.Etappe, Karlovac - Umag, 239km
Aus der Nähe Zagrebs ging es an die Adria nach Umag, mit zwei Bergen der 1. und einem der 2.Kategorie, von den anderen Erhebungen reden wir hier nicht. Das Peloton war ersichtlich angeschlagen, die ersten 100km wurden - bei tendenziell reiner Bergauffahrt - mit Ausnahme der Punktesprints und der Bergwertungen recht ruhig angegangen. 

Kurz vor Rijeka aber war dann das Rennen voll eröffnet, vom Meer ging es dann hoch über den Ucka (1000Hm), solange die Steigung sich noch in Grenzen hielt, war ich lange dabei, die letzten 5km mußte ich von der Spitzengruppe abreißen lassen, versuchte meinen Rhythmus zu gehen und holte dann mit mehreren zusammen auf der Abfahrt weitere Abgeplatzte ein, so daß sich ein recht großes Verfolgerfeld zusammenfand. In dieser Abfahrt (13-18% steil) lag noch sehr viel Sand vom Winter, unser Sprinter ist dort gestürzt und hat sich schwer an der Schulter verletzt, nachdem erkältungsbedingt schon einer aus unserem Team nach 80km die Waffen strecken mußte. Da waren es nur noch drei - aber die Betreuung wurde von da an besser.

Nach einem langen flachen Tal kam dann noch ein ganz schwerer, 6km langer Berg, dort wurde unverständlicherweise wie verrückt in unserer Gruppe attackiert, ich konnte mitgehen, bin aber bald gestorben. Danach wurde recht hurtig bis ins Ziel gekreiselt, trotzdem kamen 14min Rückstand zusammen (30.Platz), bei einer Fahrzeit von fast 7 Stunden.

 

27.5.2000: 4.Etappe, Umag - Rijeka, 137km
Nach dem gestrigen Hammer war heute erst um 15 Uhr Start, allerdings ging es heute im Finale den Ucka von der steilen Seite, so wie bei der Istrien-Rundfahrt im März, hinauf. Allen war klar, daß sich hier die Rundfahrt endgültig entscheiden würde. Die alles beherrschende Mannschaft Krka Telekom Slowenien hatte bisher nichts anbrennen lassen und bestand durchweg aus guten Bergfahrern, lauter Hänflinge mit 65kg, voll motiviert und was weiß ich. Die anderen Nationalmannschaften, auch De Nardi Pasta konnten da nicht richtig gegenhalten, nur ein anderes slowenisches Team mit dem Gesamtzweiten kratzte ein bißchen an der Tür.

Für die 10km Berg, davon 5km zwischen 13 und 18% hatte ich mir 42:25 montiert, ich hätte auch ein 27er aufgelegt, wenn ich es gehabt hätte. Die Renngeschichte ist schnell erzählt: eine Ausreißergruppe, die die Flucht nicht ganz überlebte, stetes Ekeltempo im Feld mit der Folge eines kontinuierlichen Körnerfraßes bei mir, Vollsprint in den Ucka hinein, in der Folge lauter verbissene Einzelkämpfer, ich nicht ausgeschlossen, kam aber für meine Verhältnisse sehr gut hoch! In der Abfahrt habe ich wieder wie gewohnt gut eingeholt, allerdings mußte ich einmal bei einer Kurve geradeaus in einen Parkplatz fahren, da waren die 54:11 doch eine Terz zu geschwind gewesen. Bis Rijeka hinunter waren wir wieder eine schöne schnelle Gruppe, die nur 9min gefressen hatte. 27.Platz, gesamt war ich nun 26., das Peloton war nur mehr ein Minifeld von knapp über 50 Mann!

 

28.5.2000: 5.Etappe, Crikvenica - Zadar, 203km
Es ging immer die Küstenstraße nach Süden an der Adria entlang, in eher ruhigem Tempo, nur die Bergwertung wurde schnell gefahren und da hätte es mich bald weggeblasen, so fertig war ich heute. Allerdings wurden die Beine immer besser, später gab es Windkante und zwei Selbstmörder zogen ihre lange Flucht unter sengender Hitze knapp durch. Im Massenspurt um den dritten Platz habe ich diesmal voll reingehalten, da das Feld recht auseinander gezogen war, im Kurvenlabyrinth des Zielortes gab es allerdings recht viel Rennfahrerverkehr und ich verlor einige Plätze, wurde 15., da wäre mehr drin gewesen.

 

29.5.2000: Etappe 6a, Zadar - Sibenik, 82km
Zwei Halbetappen am Schlusstag sind auch ein Mittel, um einer Bummelei vorzubeugen. Heute Vormittag wurde ziemlich gerast, es gab auch eine Ekelwindkante. Der Massenspurt bergab mit vielen Kurven und - entgegen des Tourbuches - ohne den letzten als gerade angekündigten Kilometer, war nichts für meines Vaters Sohn, ich habe auch länger gewartet, aber nach der letzten Kurve war sofort das Ziel da. Etwas für Einheimische. Platz 26.

 

29.5.2000: Etappe 6b, Sibenik - Split, 93km
Eine ruhige, aber durch den starken Rückenwind doch recht schnelle Etappe. Die letzten 20km waren dann höllisch. Mitten in Split (alles war abgesperrt!) tobte ein heißes Finale. Der drittletzte Kilometer befand sich in einem recht schummrigen Tunnel, das war ein heißes Gewackel und dann ging es wieder bergab und Kurven bis ans Meer, ohne Ortskenntnis warst Du verloren, mit kalkuliertem Risiko gab es sowieso nichts zu erben. Platz 19, Endklassement: Platz 26.

Bis auf die verpassten Sprintchancen bin ich recht zufrieden, an den Bergen habe ich eine meiner besten Kletterleistungen meiner gesamten Straßenfahrerkarriere gezeigt. Nun hoffe ich auf eine weitere Formsteigerung, erst einmal aber bin ich total kaputt. Anderntags gab es eine 12stündige Heimreise nach München, unser mageres Preisgeld hat immerhin fast die ganzen Reisekosten gedeckt, es ging so ziemlich auf Plusminusnull heraus. Trotzdem: ein schönes Land mit (mittel-)guten Straßen und sehr harten Radrennen.