Aktuelles: Bericht Griechenland-Rundfahrt (2.-9.4.2006)

 

2.4.2006: Anreise, Teil 1
Direkt nach dem Rennen in Schönaich lenkten Karsten Keunecke und ich unsere Autos im Konvoi Richtung Niederbayern. Pünktlich um 1930 Uhr erreichten wir den Treffpunkt unserer Renngemeinschaft, schnell umgepackt und los ging es um 2000 Uhr auf die Marathonstrecke nach Volos, Griechenland, zum Startort der "Tour of Hellas".

Leider mußten wir wieder den Umweg über Montenegro fahren, denn nach dem dortigen Rennen waren zwei Profis des Schweizer Rietumu-Ideal-Teams, Laurent und Janusch, zum Training geblieben. Diese sollten unser Team wieder verstärken.

 

3.4.2006: Anreise, Teil 2
Diesmal schon nach 17 h waren wir mittags wieder in Tivat, ein echtes dejà vu. Schnelles Mittagessen, dann ein kurzes Training auf der Küstenstraße Richtung Bar, um die Beine zu lockern.

Schließlich packten wir alles im Bus zusammen und es ging weiter über Bar nach Albanien. Schon der Grenzübertritt war eigentümlich, kein Auto weit und breit, aber man hielt uns ewig fest. Erst nach Zahlung einer Straßenbenutzungsgebühr ging es weiter. Albanien zeigte sehr große Gegensätze von arm und reich auf. Speziell in Tirana gab es unglaubliche Dinge zu sehen. Die Straßenverhältnisse waren mehr als abenteuerlich, unsere Reisedurchschnittsgeschwindigkeit sank ins Bodenlose.

 

4.4.2006: Anreise, Teil 3
Nach Mitternacht erreichten wir die Grenze zu Mazedonien, dort hielt man uns nur angemessen lange fest. Mittlerweile war für viele schon fast die zweite Nacht durchwacht und es keimte der Plan auf, in einem Motel wenigstens 7 h zu schlafen. In einem Hotel drückte ich den Preis auf 16.- EURO pro Nase, das war den meisten zuviel und so ging es im Auto weiter.

Völlig tot nahm ich im ersten Morgenlicht wahr, daß wir ungewöhnlich lange an der griechischen Grenze standen. Der jüngere unserer beiden Betreuer, ein europaweit bekannter Tandemfahrer, hatte seinen Pass zu Hause als verloren gemeldet, ihn aber wieder gefunden und dies dann nicht angezeigt. So stand dieser Pass international als gestohlen in den Computern und die Einreise wurde verweigert.

Elegant wurde das Problem familienspezifisch behoben: wortlos reiste Vater Betreuer mit dem Bus und den Rennfahrern ein und ließ Sohn Betreuer als Passdelinquent zurück. Im nächsten Ort in einem Hinterhof wurde gehalten, der Tandemfahrer spazierte per pedes über die Grenze und stieg wieder zu. Kurz darauf erfolgte eine Polizeikontrolle und wir Fahrer schrieben die Rundfahrt definitiv ab.

Dies war jedoch eine Routinekontrolle und der Schweißausbruch war umsonst gewesen. Und weiter ging es, ewig weiter, durch Nordgriechenland mit ungewöhnlich vielen Kraftwerken und immer weiter. Abends, der Bus wurde aus Benzinspargründen auf der Autobahn nur mehr auf 60km/h gebracht, erreichten wir nach 48 h Reise endlich Volos, die drittgrößte Stadt Griechenlands, genau zwischen Thessaloniki und Athen am Meer gelegen.

Das Hotel war vergleichsweise rasch gefunden, schnell noch 1 h auf dem Rad die Beine ausrollen, Abend essen und ab ins Bett. Wir waren jedoch so überreizt, daß wir kaum Schlaf fanden.

 

5.4.2006: 1.Etappe, Volos - Kalabaka, 148km
Unsere 3-Mann-Zimmerbesatzung, die für die Dauer der Rundfahrt auch der sehr gut harmonierende Standard bleiben sollte, war am Morgen des Starts der Rundfahrt mehr tot als lebendig. Für Karsten Keunecke, Philipp Kellermann und mich war der wenige Schlaf kaum erfrischend gewesen.

Noch im Halbschlaf taumelten wir erst einmal zum Frühstück, das wir dort einnahmen, wo das Abendessen vom Vortag gewesen war. Der Ort war wie die Info dazu falsch, das Frühstück und v.a. der Kaffee gut. Nach nur wenig Aufbegehren eines Kellners und eines Rezeptionisten war wieder Friede, unsere Beine waren jedoch immer noch butterweich und zittrig.

Die Startzeremonie am Hafen mit ultralauter Musik und Sonne war schön, allerdings stellten wir schnell fest, daß wir die einzige mitteleuropäische Mannschaft waren, die mit dem Auto angereist waren. Für das gleiche Geld wie unser finanzieller Einsatz waren alle geflogen, ein organisatorischer Husarenstreich ersten Ranges. Dafür waren wir schon am Start tot.

Wie schon in Montenegro gab es bei der Akkreditierung fast wie gewohnt bei dieser Renngemeinschaft Schwierigkeiten. Unsere beiden GS3-Profis durften mit uns kein mixed team bilden (so etwas ist ja vorher nicht zu erfahren). So startete Janusch als Deutscher kurzerhand im Frankfurter Spiuk-Team als schnell formierte deutsche Nationalmannschaft. Dafür verstärkte uns ein Frankfurter. Laurent hatte jedoch die Arschkarte gezogen, durfte auf der 1.Etappe noch mitfahren, dann nicht mehr und startete in der Folge ohne Nummer täglich zu Trainingszwecken im Feld. So viel Aufwand für nichts!

Die Etappe war jedoch super zum Einrollen, flach, einige leichte Wellen und flott. Im Finale fuhren auf einer Windkante einige Fahrer stockblind auf ein geparktes Motorrad auf, etliche Fahrer kamen zu Sturz und das Feld zerriss. Vier Mann von uns waren gerade in zweiter Reihe auf dem Weg nach vorne gewesen, als es direkt vor uns klapperte. Karsten mußte Bodenkontakt aufnehmen, Philipp und ich kamen durch tieffliegende Materialteile unbehelligt durch, Florian Fromm (Flo) erlitt mehrfachen Speichenschaden und kurz darauf Defekt.

Trotz aller Bemühung kam ich nicht zurück ins vordere Feld, eine anständige Verfolgung war nicht zu organisieren. Karsten und Flo nutzten die Wagenkolonne zum Wiederanschluß an das zweite Feld. So gab es im Ziel zu Füßen der Meteora-Klöster gleich mal 1,5min Rückstand aufgebrummt. Die Beine gingen im Finale aber überraschend gut. Vorne konnten Laurent und Janusch auch nichts reißen.

Essen und Hotel waren Spitzenklasse und die Nacht war endlich mal wieder gut.

 

6.4.2006: 2.Etappe, Kalabaka - Ioannina, 121km
Schon gleich heute stand die Königsetappe an. Noch leicht gerädert durften wir dem Beginn des ersten schweren Berges schon nach 8km entgegen sehen. Genau zu Beginn der Steigung legte sich einer vor mich hin, so mußte ich schon früher als geplant catchen, um schnell das sich bildende, große Grupetto mit u.a. auch Janusch und unserem Frankfurter zu erreichen. Gemeinsam ging es in eine kurze Zwischenabfahrt und dann nahmen wir die Hauptsteigung der Rundfahrt zum Katarapass auf 1710m in Angriff.

Im Grupetto wurde ein guter Rhythmus gefahren, auf Zug, aber nicht zu schnell. Mir ging es dabei recht gut. Oben fuhren wir durch Schneewände, ab der Passhöhe herrschte ein mörderischer Wind. Die Abfahrt soll glatt gewesen sein, sagte man mir, es hat wohl einige Stürze gegeben. Karsten hat es sich vorne nicht nehmen lassen, auch seine andere Körperseite mit Asphaltallergie zu verzieren! Ich habe davon nichts gemerkt, fuhr als ehemaliger Skirennfahrer eine ordentliche Linie und habe es richtig rumpeln lassen. Ein bißchen windig war es allerdings schon, zu leicht durfte man bei der Kiste nicht sein!

Da die meisten mitzogen, hatten wir im Tal noch vor dem dritten Berg des Tages eine größere Gruppe im Blickfeld, die wir dann auch auffuhren. Dann war aber die Luft raus. Für meinen Geschmack zu pomadig und arrogant fuhr man in Doppelreihe locker parlierend. So wurden aus 20min Rückstand zu Beginn des dritten Berges bis zum Ziel 38min, gerade mal 4min vor der Karenz. Sehr unnötig! Kaputt war ich trotzdem.

Vorne führten ein Russe und ein Bulgare (am Ende der RF auch Erster und Zweiter) ein Tänzchen der Sonderklasse auf. In der Gruppe danach hielt sich mit einer bemerkenswert starken Leistung lange unser Flo, der ging jedoch im Finale ein, auch weil er dringend den Schub einer Cola gebraucht hätte.

Die befand sich im Bus bei Vater und Sohn Betreuer, fuhr hinter Karsten und Fips her und kam nicht nach vorne. Selten habe ich Frohnatur Florian so angefressen gesehen!

Wie jeden Tag gab es in einem Restaurant Mittagessen (die angegebenen Duschen waren irgendwie nie aufzufinden) und danach hatten wir noch einen kurzen Transfer nach Arta, zum Startort der 3. Etappe.

Das Hotel heute war eines der schlechteren bei dieser RF, ging aber voll in Ordnung. Es fiel uns auf jeden Fall schon deutlich schwerer, die tägliche Wasch- und Trocknungsprozedur der Rennklamotten durchzuziehen.

Den Rennfahrern fiel heute zum ersten, aber auch nicht zum letzten Mal bei dieser Rundfahrt auf, daß unsere beiden Betreuer von uns allen als erstes flach auf den Betten lagen, dabei aber unsere Räder ungesichert in einer belebten Straße auf dem Dach des Mannschaftsbusses verblieben.

Nachdem wir ja alle vor Antritt der Reise eine Haftungsausschlusserklärung unterschrieben hatten, hatten wir - nach jeder Etappe todmüde - erst einmal eine weitere Arbeit zu erledigen, die uns leicht hätte abgenommen werden können.

Das Abendessen auswärts zog sich unter den Pfiffen der Rennfahrer des Pelotons stundenlang hin und wir kamen spät ins Bett.

 

7.4.2006: 3.Etappe, Arta - Messologhi, 159km
Nach zwei strahlend schönen Tagen war es heute stark diesig und es sah nach Regen aus. Später aber klarte es auf, es wurde wieder richtig schön.

In der ersten Stunde legten wir in einer Schleife um Arta 51km zurück, ein ziemliches Gerase. Dann ging es leicht wellig am Meer entlang, dabei wurde ein mittleres Ekeltempo angeschlagen. Die letzten Kilometer zum Ziel am Hafen waren eher abenteuerlich, eine Kurve nach der anderen, mit sehr viel Sand und Löchern auf bzw. in der Straße. Nicht ganz ungefährlich, aber alles ging gut.

Von uns war heute keiner vorne. Dafür gab es nach einem kurzen Transfer nach Patras ein super Hotel mit super Essen in Buffetform!

 

8.4.2006: 4.Etappe, Antirrion - Olympia, 129km
Mit Attraktionen wollten die Organisationen wohl nicht sparen. Nach den Meteora-Klöstern und der Passage von Griechenlands einzigem Skigebiet stand heute der Start über die futuristische Brücke von Patras, die das Festland mit dem Peloponnes verbindet und die Zielankunft im antiken Olympia an.

Die 2252m lange Brücke war kritisch. Direkt nach dem Start, mit sehr starkem Seitenwind vom Meer und einer Steigung von ca. 5% war das eine deutliche Windkantenfalle, an der dann tatsächlich auch schon welche fliegen gingen.

Entsprechend nervös war der Start. Ich hatte mich ganz vorne aufgestellt und blieb auch vorne, dann auch auf der richtigen Leeseite, so daß ich den lang gezogenen "Brückensprint" ohne Probleme hinter mich brachte. Danach ging es 6km durch ein Tunnelsystem bergauf, war aber gut zu machen. Anschließend folgte eine lange Rückenwindpassage, so daß das Feld gehörig Fahrt aufnahm.

Plötzlich aber änderte sich die Richtung der Straße und es tat sich eine Windkante auf der linken Seite auf. Der Gegenverkehr war zwar zum Halten gebracht worden, die Rennfahrer zogen aber immer erst im letzten Augenblick um die Autos herum - sehr gefährlich!

Ich hatte eindeutig meinen besten Tag bei dieser Rundfahrt. Erst fuhr ich richtig schnell an der gesamten Kante nach vorne vorbei, dann drängelte ich mich in die erste Staffel und ließ mich dort auch nicht so ohne weiteres vertreiben. Da wurde geschimpft, gedrängelt, gestoßen, geschlagen, besonders die Russen taten sich hervor, die mich da nicht haben wollten. Da aber u.a. auch staturmäßig ein deutlicher Unterschied bestand, hielt ich mich bei dem Höllengerase immer vorne.

Das Feld platzte auch in drei Teile auf, jedoch gab es im Finale wieder Rückenwind und alles lief wieder zusammen, schade! Einige Ekelwellen waren noch zu erleiden, dann der Sprint in Olympia, wieder wurde keiner von uns etwas. Die Ausgrabungsstätten waren geschlossen, es gab wenig zu sehen. Das Hotel war ganz in der Nähe, gut wie immer und hervorragendes Essen.

Nach dem standardmäßigen Handwaschprogramm der Trikotage und dem Rädercheck nach der do-it-youself-Methode, einem Besuch im Internet-Cafe, dem Vorbeifahren im Bus an den Ausgrabungsstätten, ein paar netten Gesprächen mit einigen Mitgliedern des griechischen Teams war auch dieser Tag wieder vorbei und man konnte seine müden Gebeine ins Bett verräumen.

Vorher wurde jedoch noch wegen der Rückreise eine ermüdende Diskussion geführt, da keiner wegen der "Passaffäre" Lust verspürte, an der Grenze festgehalten zu werden. Eine Alternative via Fähre nach Brindisi und weiter über Italien wurde erwogen. Die Hälfte des Teams hatte überdies keinen Bock mehr auf tagelange Busreisen und wollte fliegen, ein billiger Flug war gefunden worden. Also wieder eine super mentale Vorbereitung auf die morgige ultraschwere Schlußetappe.

 

9.4.2006: 5.Etappe, Olympia - Sparti, 166km
Bei wiederum schönen Wetter ging es nach einer längeren Neutralisation erst einmal mit der Ausnahme einer kleinen Bergwertung 105km flach dahin. Wie müde ich schon war, durfte ich bereits bei einigen giftigen Wellen während der Neutralisation verspüren, an denen ich glaubte, eher zu stehen als zu rollen.

Überdies hatte ich mir in Erwartung des Hammerberges mit 1280Hm im Finale ein besonders kräftiges Frühstück gegönnt, dieses hing mir gut 2 h schwer im Magen und verschaffte mir heftige Kurzatmigkeit. Eine kleine Bergwertung bei 55km überstand ich schadlos und damit waren sämtliche Karenzzeitprobleme aus der Welt, ich kam mit dem Feld an den Fuß des Passes.

In diesen wurde richtiggehend hineingesprintet, entschied sich doch die Rundfahrt genau hier. Schon nach wenigen Kilometern im noch leicht ansteigenden Gelände bildete sich das Grupetto, in dem ich in prominenter Begleitung ohne große Probleme die nicht enden wollende Steigung hinaufkam.

Die technische Abfahrt machte dann richtig Spaß, auch wenn ich es nicht richtig laufen ließ, um mir nicht den Unmut meiner Mitstreiter und des Grupettochefs zuzuziehen. So gab es im Ziel wiederum 25min auf die Backe, die Rundfahrt habe ich schließlich als 94. beendet. Nicht überragend, aber die Zielstellung hieß von vorneherein: durchkommen, Renn-km sammeln. Dies war geglückt.

Nach dem Ziel waren die Duschen wie üblich unauffindbar, das gut versteckte Restaurant ließ sich schließlich finden. Nachdem die Brindisi-Lösung undurchführbar geworden war, aß nur noch eine Rumpftruppe, drei Renner dampften wie angekündigt sofort nach dem Zieleinlauf nach Athen, um nach München zu fliegen.

Nach intensiv-bohrender Nachfrage bekam man schließlich vom Vater des europaweit bekannten Tandemfahrers die Auskunft, daß dieser zwecks Problemvermeidung ebenfalls ab Athen fliegen würde.

So begannen wir am Spätnachmittag wieder eine Marathonbusreise via Flughafen Athen, danach nur noch mehr mit Vater Betreuer, Karsten, Fips und mir. Platz war da, Schlaf wollte sich nicht einstellen. Wegen der nicht vorhandenen Vollkaskoversicherung fuhr ich nicht, dieser Gewalttat unterzogen sich im Wechsel schließlich der Bushalter und Karsten.

Die Reise ging von Sparti in Südgriechenland nach Athen, Volos, Thessaloniki, Skopje (Mazedonien), Belgrad, Budapest, Wien, Linz zurück nach Niederbayern. Bei 24°C starteten wir, nach 32 h im heiß-kalt-zugigen Bus erreichten wir bei 0°C und eiskaltem Regen den Endpunkt des Busunternehmens. Bei der Weiterfahrt nach München fing es an zu schneien, ab München Nord gab es dann rutschige Schneefahrbahn bis Deisenhofen, das ich nach 33,5 h weit nach Mitternacht glücklich erreichte.

 

UPDATE 04.05.2011:
Wie man heute weiß, fuhr ich damals mit unentdeckten Herzrhythmusstörungen herum, damit waren die unerklärlichen Leistungsschwankungen erklärt!

(Fotos)