Aktuelles: Bericht Bulgarien-Rundfahrt
(1.-10.9.2001)

 

1.9.2001: Anreise, Teil 1
Bei übelst kaltem und regnerischem Wetter begann heute das Abenteuer Bulgarien. Zuerst ging es nach Deggendorf, woselbst ich vom Bus des KED Bianchi Teams Berlin aufgenommen wurde. Dann folgte ein ewiger Schlauch über Linz, Wien, Budapest nach Szeged, einer ungarischen Stadt an der Grenze nach Rumänien. Dort übernachteten wir nach 10 h Fahrerei, recht geschafft, aber es sollte noch ärger kommen.

 

2.9.2001: Anreise, Teil 2
In aller Frühe starteten wir durch. Unsere Fahrt sollte uns über Rumänien nach Sofia in Bulgarien führen, alles Landstraße. Es entwickelte sich eine abenteuerliche Fahrt auf buckligen Landstraßen durch ein sichtbar sehr armes Land, man kam kaum vorwärts. Am Donauübergang, gleichzeitig die rumänisch-bulgarische Grenze, kam es zu langen Wartezeiten an der Fähre, anschließend an der Grenze. Überall wurde man abgezockt mit Straßengebühren, Steuern, Maut, etc., zu entrichten nicht in Landeswährung, sondern selbstverständlich in DM und dann auch für deutsche Verhältnisse sehr teuer. Moderne Wegelagerei!

Schließlich kamen wir nach 17 h Autofahrt um 1 Uhr nachts in Sofia an, zum Hotel ließen wir uns von einem Taxi führen, es ging einfach nicht anders. Wir fielen total kaputt in die Betten, am nächsten Tag sollte um 12 Uhr der Start sein!

 

3.9.2001: 1.Etappe, Sofia - Troyan, 181km
Nach kurzer und schlecht verbrachter Nacht gab es ein für Rennfahrer äußerst ungeeignetes Frühstück, sehr fettes Fleisch und kaum Kohlenhydrate. Ich hatte Hunger und aß ein bißchen unüberlegt fast alles, später im Rennen sollte ich das büßen, denn die Sachen lagen mir noch während der ersten drei Rennstunden schwer im Magen.

Die Besetzung war nicht ohne: Amore & Vita, Miche (beides italienische GS-Teams), Lada (Russland), Martigues (Frankreich), Kronenburg (Österreich), Bilal (Rumänien), KED-Bianchi-Team Berlin, Rad-Team Röwert (Dresden), Nationalmannschaften aus der Ukraine, Bulgarien, Jugoslawien und Griechenland. 

Das Rennen entwickelte sich ob seiner Länge zu einer ganz schönen Sägerei. Nach 25km kamen direkt hintereinander zwei Berge, der erste war mit Scheibe zu fahren, da hatte ich keine Probleme, oben schaute mir aber ein Hühnerbein aus dem Mund (so fühlte ich mich zumindest). Direkt danach kam ein steilerer Anstieg, bei der Tempoverschärfung anläßlich der Bergwertung bekam ich leichte Probleme, in der Abfahrt rollte ich aber in einer größeren Gruppe wieder an das Feld heran. Es folgten laufende Attacken, dazu eine heftige Windkante. Schließlich waren 11 Mann vorne und das Feld rollte mit knapp 6min Rückstand über das Ziel (33.Platz). Ich konnte kaum sitzen vor lauter Schmerzen, denn die Straßen waren - und blieben - alles andere als gut. Trotzdem kam ein 43er-Schnitt zustande.

 

4.9.2001: 2.Etappe, Troyan - Razgrad, 216km
Wie schon gestern hatten wir ein schönes und herrlich warmes Wetter und das sollte auch für den Rest der Woche so bleiben, immer zwischen 25 und 30°C, dazu aber immer sehr starker Wind (Windkante!). 

Der erste Berg nach 24km war ein Autobahn-Zieherberg, wieder mit dem großen Blatt zu fahren und obwohl heftigst drübergeschmirgelt wurde, hatte ich keine Probleme. Bei km 80 ging ich eine Attacke mit und es entwickelte sich eine gut laufende Gruppe, die mit etwas Vorsprung in den zweiten steilen Berg des Tages einfuhr. In der zweiten Hälfte des Anstiegs - ich fuhr schon am Limit - kamen von hinten der Gelbe und etliche Spitzenfahrer angesaust und sprengten alles. Dann mühte ich mich 20km lang mit einem Dresdner Kollegen, wieder den Anschluß nach vorne zu finden, was schließlich gelang. 

In dieser Gruppe, aus der sich zwischenzeitlich schon wieder der Gelbe (gewann wieder heute!) und einige andere aufgemacht hatten, wurde in welligem Gelände bei starkem Seitenwind ständig attackiert, angeschlagen wie ich war, hatte ich auf das Äußerste zu kämpfen. Schließlich verpasste ich den großen Schnitt und rollte dann mit einer überwiegend deutschen Gruppe bei starkem Wind und schlechten Straßen noch gut zwei Stunden nach Hause, wir bildeten wenigstens vernünftigerweise eine gute Staffel, waren aber auch alle total fertig und kassierten bis ins Ziel 20min Rückstand (30.Platz, Gesamt-31.). Vom Zustand meines Sitzfleisches mochte ich schon gar nicht mehr sprechen, er verschlechterte sich täglich.

Auch mal etwas Lustiges: In einer bulgarischen Zeitung gab es einen großen Artikel über mich als ältesten teilnehmenden Fahrer, allerdings in kyrillischer Schrift.

 

5.9.2001: 3.Etappe, Razgrad - Varna, 135km
Heute war mein stärkster Tag. Heftiger Wind von vorne und der Seite ergaben eine einzige Stecherei, die auch noch dazu nicht ganz ungefährlich war. So ging es über den ersten Berg, wieder einem Zieher, aber das war auf der Windkante ungeheuer schwer. Ein kurzes Durchatmen des Feldes nutzte ich zu einer Attacke bergab, ich hatte richtig gute Beine und einen Riesendruck. Mit einem Russen am Hinterrad holte ich trotz Gegenwehr der Bulgaren im Feld (3 Mannschaften fuhren für den bulgarischen Führenden Dimitri Dimitrov, der die Rundfahrt auch klar gewann) einen Rumänen und einen Ukrainer ein und zu viert fuhren wir trotz ungünstigem Wind in einer Stunde schließlich 4min heraus. Genauso lang mühte sich eine Vierergruppe hinter uns um den Anschluß, der auch schließlich gelang, als der Russe und der Ukrainer, der von hinten zwei Mannschaftskollegen bekam, nicht mehr führten.

Man hätte nun meinen müssen, daß es zu acht leichter gegangen wäre. Pustekuchen. Aufgrund des Übergewichts der Ukrainer und zweier Italiener von Miche, führten überhaupt nur 5 Mann, dauernd gab es Abrisse und Uneinigkeiten und schließlich ging bereits 50km vor dem Ziel die Attackiererei los! (Die sind anders im Osten). Ein gewaltiges Hickhack spielte sich ab und so verspielten wir kontinuierlich unseren Vorsprung. Ich wage die These, daß wir bei einem Rennen in Deutschland mit einem guten Vorsprung angekommen wären! Schließlich war alles zerfleddert, alles wurde vom jagenden Hauptfeld geschluckt. 

Mir passierte dies kurz vor der letzten Bergwertung des Tages, allerdings war es wieder ein Zieher auf der Autobahn bei heftigstem Gegenwind. Obwohl ich total leer war, kam ich gerade noch so mit, obwohl ich schon Sterne sah. Bei der anschließenden Ekelwindkante ging es mir genauso, ich blieb noch dabei. In Varna selbst wurden wir von der Polizei falsch geleitet, wir mußten umkehren, es gab ein großes Tohuwabohu, nur wenige waren richtig abgebogen, diese fünf Rennfahrer wurden gewertet, alles andere wurde ex aequo gesetzt. Gar nicht auszudenken, wenn ich in der Achtergruppe angekommen wäre und dies wäre passiert!

 

6.9.2001: 4.Etappe, Varna - Burgas, 134km
Mit etwas Angst war ich in das heutige Rennen gestartet, denn gestern hatte ich doch sehr viele Körner gelassen. Sofort gab es wieder eine Windkante, über zwei sehr lange Zieher und etliche Wellen rettete ich mich hinweg. Nach einer ewig langen und schnellen Abfahrt hinunter zum Meer war ich so glücklich, noch vorne dabei zu sein, daß ich nicht richtig aufpasste. Es ergab sich auf den letzten 25km im Finale eine ungeheure Windkante, auf der alles aufplatzte. In der Mitte plaziert, konnte ich mich von Fahrer zu Fahrer und von Grüppchen zu Grüppchen vorarbeiten, schließlich bildeten wir eine gute Staffel und kamen der Spitzengruppe langsam näher. Diese Gruppe erreichte auch die Spitze, aber ohne mich. Im entscheidenden Moment hatte ich Hinterraddefekt, nach dem Wechseln war sofort ein Kommisär da, mit Vorfahren am Auto war es also nichts und ich mußte auf die nächste Staffel warten, in der aber kein rechter Zug mehr war. So verlor ich heute wegen dieses Defekts unnötigerweise knapp 8min (59.Platz, Gesamt-52.). Das hätte es nicht gebraucht.

Die Unterbringung und das Essen waren wie die gesamte Organisation recht gut hier, trotz der oft sichtbaren großen Armut in diesem Land. Beim Essen hätte man sich manchmal weniger Fleisch, dafür mehr Kohlenhydrate gewünscht, aber irgendwie ging das immer. Der allgegenwärtige Schafskäse war jedenfalls sehr lecker!

 

7.9.2001: 5.Etappe: Burgas - Stara Zagora, 180km
Die ersten 100km gab es heute immer Gegenwind und die Bulgaren hatten hart zu kämpfen, um das Tempo an der Spitze hoch zu halten für den Gelben. Noch dazu war es heute sehr stürmisch und kühl, es blieb aber trocken. Dann änderte sich die Richtung der Straße und auf einmal ergab sich eine brutale Windkante, es wurden die letzten 80km gerast bis zum Umfallen.

Wieder war ich etwas eingeklemmt und ein bißchen weit hinten gewesen, so fand ich mich in der Verfolgergruppe wieder. Hier wurde eine gute Staffel gefahren und ich mußte nur durchrollen, denn vorne waren einige aus meiner Mannschaft, eine sehr bequeme Position. Trotzdem mußte ich böse um mich schlagen, um überhaupt in der Staffel zu bleiben, denn hinten an der Kante tat es viel zu weh, da hat es sogar unseren Spitzenfahrer Udo Müller weggeweht!

Weil sich die 16 Mann vorne trotz ihres Vorsprungs (1.45 min max.) ständig zu zerlegen suchten (die sind anders im Osten!), fanden wir Anschluß, aber sofort gab es die Konterattacke, jetzt zerbröselte wieder alles. Auf einmal fand ich mich in der dritten Gruppe wieder! Voller Wut zog ich mit allem was ich hatte durch und kam wieder in die zweite Gruppe zurück, vorne waren 17 Mann. Im Spurt um den 18. Platz (jeden Tag gab es 25 Preise) fuhr ich bei knapp einem Kilometer vor dem Lappen ab, der Gegensturm und die ewig ansteigende Zielgerade töteten mich aber und so wurde ich wieder aufgesaugt (39.Platz, Gesamt-39.).

Das war heute so richtig hartes Männerradfahren für Fortgeschrittene.

 

8.9.2001: 6.Etappe, Stara Zagora - Pavel Banya, 164km
Das Streckenprofil wies den heutigen Abschnitt als die Königsetappe aus. Nach 35km kam der erste Berg, der richtig schnell gefahren wurde und den ich mit knapper Not und einigen Verrenkungen in der Abfahrt knapp überlebte. Dann gab es bis km 100 Ekelkante, die beständig an den Kräften fraß. Viele fraßen angesichts des Finales etwas anderes, die Rundfahrt wurde von keinerlei Kontrollen belästigt.

Dann tat sich ein 17km langer Pass mit 1100 Hm, anfangs mit dem Blatt zu fahren, später steiler, auf. Mit Beginn der ersten steilen Serpentine war das Feld sortiert und ich fand mich in einem ansehnlichen Grupetto wieder, fuhr meinen Rhythmus. In der Abfahrt ließ ich es etwas rollen, ein Österreicher und ein Rumäne klinkten noch ein und zu dritt rollten wir einige Versprengte auf, kämpften noch die letzten 20km gegen den heftigen Wind. Trotzdem gab es 17.40 min auf die Backe (51.Platz, Gesamt-41.). 

 

9.9.2001: 7. und letzte Etappe, Pavel Banya - Sofia, 181km
Nix war es mit Friedensetappe (die sind anders im Osten!). Ein fröhliches Gesäge an einer Ekelwindkante entwickelte sich und ich war total breit. Wie an den anderen Tagen, so hatten auch heute wieder einige meiner Berliner Mannschaftskameraden super Momente, Armin Krahl wurde sogar Zweiter, unsere beste Plazierung in dieser Rundfahrt!

Die erste Bergwertung bei km 70 war ein wirklich ewig langer Zieher, an dem viele abfielen, ich konnte zu meiner eigenen Überraschung dabeibleiben, obwohl ich dabei fast gestorben wäre! Beim zweiten Berg bei km 120 hat es mich dann aber aufgestellt, ich landete in der zweiten Hälfte des Feldes, vorne fuhren 38 Mann. Wir donnerten mit Zug und Tempo in einer ordentlichen Staffel nach Sofia hinein, bekamen trotzdem 9.40 min auf die Backe (39. Platz). 

Insgesamt bin ich bei dieser Bulgarien-Rundfahrt auf dem 42.Platz gelandet und habe sehr hart kämpfen müssen. Ich hatte eine ordentliche, wenn auch nicht überragende Form nach meiner Pause und war eigentlich recht zufrieden, besonders über meinen Ritt über 80km auf der dritten Etappe.

 

10.9.2001: Rückreise
Am Montag morgen starteten wir um 6 Uhr durch. Diesmal sollte es über Serbien nach Hause gehen, trotz teurem Transitvisum (DM 50.- pro Person), Autoversicherung (int. grüne Versicherungskarte gilt da nicht - Abzocke!) und horrend hohen Mautgebühren. Nach 20 h Autofahrt ab Sofia über Belgrad, Novi Sad, Szeged, Budapest, Wien (dort 2 h Stau), Linz, Passau und Deggendorf (mein dort abgestellter Wagen war noch da!) erreichte ich endlich die Heimat in Deisenhofen.